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: Wer von Dusel redet, der braucht ihn nicht

Bayern München behält die Nerven und wird von der demoralisierten Konkurrenz bereits als Meister gefeiert

Rot sind die Farben des FC Bayern, und sein Wahrzeichen ist von jeher der rote Kopf. Rot natürlich nicht vor Scham, sondern vor Zorn. Früher pflegten die Münchner sogar ihre Trainer diesem Farbschema gemäß auszuwählen. Als Udo Lattek nach seiner Bayern-Zeit beim FC Barcelona anfing, bekam er von Diego Maradona wegen seines bunten Antlitzes sofort den Spitznamen „La Gamba“ verpasst. „Osram“ wurde wegen seiner leicht erregbaren Birne Jupp Heynckes genannt, besonders gern von Christoph Daum. Noch heute gilt als Sternstunde des Farbfernsehens jenes ZDF-Sportstudio, in dem Heynckes und Manager Uli Hoeneß als Leuchttürme der Empörung Gift und Galle gegen den damaligen Kölner Trainer spuckten. Und einmal verpflichteten die Münchner sogar einen jungen Stürmer, nur weil er „Rotbäckchen“ genannt wurde. Erstaunlicherweise entpuppte er sich später auch noch als brauchbarer Fußballspieler und hieß Karl-Heinz Rummenigge.

In jüngster Zeit ist diese Vorgehensweise ein wenig in Vergessenheit geraten. Ottmar Hitzfeld errötete eher inwendig und Felix Magath gerät gar nicht in Rage. Er lächelt süffisant. Jüngst hat er einem Nachrichtenmagazin verraten, dass er so richtig noch nicht angekommen sei bei den Münchner Bayern. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dann lieferte er ihn nach dem 1:0-Sieg in Hannover. Jedes andere Mitglied des Klubs, vom letzten Kartenabreißer bis zum Präsidenten, hätte auf die Frage, ob das wieder der Bayern-Dusel gewesen sei, besagten Glühkopf bekommen, mindestens ein „Schmarr’n“ herausgepoltert und die Körperhaltung eines Rausschmeißers in Kahns Lieblingsdisko angenommen. Magath jedoch sprach mit einem amüsierten Blitzen der Äuglein sogar selbst vom „berühmt-berüchtigten Bayern-Dusel“, meinte aber auch, die 90. Minute gehöre genauso zum Spiel wie die zweite.

Das war schön gesagt und traf den Kern. Die Bayern hatten nach ihrem als bitter empfundenen Ausscheiden in der Champions League gegen Chelsea nicht überragend gespielt in Hannover, aber ordentlich, der gerade eingewechselte Owen Hargreaves schoss in letzter Minute ein wunderbares Tor zum verdienten Sieg, die Verfolger spielten jämmerlich. Das war in gewisser Weise typisch, mit Dusel hatte es nichts zu tun.

Typisch aber auch, dass die Konkurrenten am Samstag kollektiv ihre Kapitulation verkündeten. Fragte man bei einem Rückstand von sechs Punkten fünf Spieltage vor Schluss Hoeneß, Beckenbauer, Kahn oder Rummenigge, ob die Meisterschaft entschieden sei, sie würden einem gehörig heimleuchten. MATTI LIESKE