Mehr Hilfe für kindliche Mütter

In Essen hat sich die Zahl der minderjährigen Mütter verdoppelt. Die städtische Gesundheitskonferenz will diesen Teenagern jetzt ein Jahr lang eine Familien-Hebamme finanzieren

von MIRIAM BUNJES

Essens Mütter werden immer jünger: 65 Mütter unter 18 zählte die Vormundschaftsstelle des Essener Jugendamtes im vergangenen Jahr. 2003 waren es noch 30. Dem Trend will ein Essener Bündnis aus Jugendamt, Geburtskliniken und Kinderschutzbund jetzt etwas entgegensetzen: Die Teenager und ihre Babies sollen künftig ein Jahr lang kostenlos von so genannten Familien-Hebammen betreut werden.

„Kindesvernachlässigung wird in der Regel viel zu spät bemerkt“, sagt Ulrich Engelen, stellvertretender Leiter des Essener Jugendamtes. „Dann lassen sich körperliche und psychische Schäden der Kinder schon kaum noch beheben und die Kinder können nur noch aus der Familie herausgenommen werden.“ Denn auch die Essener Kliniken haben im vergangenen Jahr einen alarmierenden Trend vermeldet: Immer häufiger müssten Säuglinge in Kliniken behandelt werden, weil kinderärztliche Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrgenommen würden. „Minderjährige Mütter kennen häufig die verschiedenen Hilfeangebote in ihren Stadtteilen nicht“, sagt Ulrich Engelen. „Sie sind durch den anstrengenden Alltag mit dem Baby völlig überfordert und zerbrechen an dieser Herausforderung.“

Die Familien-Hebammen sollen die jungen Mütter deshalb auch mit unterschiedlichen Hilfsangeboten vor Ort vertraut machen: „Wenn das erste Lebensjahr des Kindes vorbei ist, sollen die jungen Mütter immer noch durch ein Betreuungsnetz aufgefangen werden“, sagt Engelen. In erster Linie sollen die Hebammen die Mütter jedoch dabei unterstützen, den Alltag zu meistern. Damit sie speziell auf die Situation der Jugendlichen eingehen können, organisiert das Jugendamt entsprechende pädagogische Qualifizierungsmaßnahmen.

„Die Mütter stecken noch mitten in der Selbstfindungsphase“, erklärt Ursula Lehmann von der Schwangerschaftskonfliktberatung der Essener Arbeiterwohlfahrt die schwierige Situation der Teenager-Mütter. „Da tritt schnell Überforderung ein.“ Zudem hätten viele junge Mütter einen problematischen biographischen Hintergrund. „Dann sehen sie für sich keine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und wollen sich mit ihrem Kind eine neue heile Welt schaffen“, sagt Ursula Lehmann. „Welche Probleme ein Baby machen kann, ist ihnen vorher gar nicht bewusst. Die Verzweiflung ist dann dementsprechend noch größer.“

Auch Ulrich Engelen sieht die steigende Zahl der Teenager-Mütter im Zusammenhang mit der desolaten wirtschaftlichen Entwicklung. „Das Kind soll ihrem Leben einen Sinn geben, weil sie sich keine Hoffnung mehr auf einen Ausbildungs-oder Arbeitsplatz machen.“

Die Umsetzung des Hilfsprojekts wird etwa 100.000 Euro im Jahr kosten, schätzt der Jugendamtsleiter. Auf die öffentliche Hand können die Koordinatoren dabei allerdings nicht setzen. Denn die Stadtkassen sind leer. „Einen Anspruch auf Erziehungshilfe gibt es rechtlich eigentlich nur, wenn schon akuter Handlungsbedarf besteht“, so Engelen. „Und soweit wollen wir es nicht mehr kommen lassen.“ Die Finanzierung stützt sich deshalb in erster Linie auf Spenden. „Wir haben schon eine Menge Geld eingeworben und sind auch weiterhin optimistisch.“