Friede dem Briefkasten

Regierung und Opposition wollen dem Spam beikommen, haben aber keine Ahnung, wie

Wehe dem, der in den Urlaub fährt und keine Spamfilter für sein E-Mail-Postfach aktiviert hat. Zurück am Arbeitsplatz dauert es dann nämlich erst mal bis zur Mittagspause, bis Angebote zur Penisverlängerung von Mails mit lesenswertem Inhalt getrennt sind. Glaubt man dem Deutschen Bundestag, ist derzeit jede zweite E-Mail in Deutschland eine unverlangte Werbemail, so genannter Spam. Rund 13 Milliarden dieser E-Mails werden täglich versand und kosten nicht nur Nerven, sondern auch Geld. Durch das Aussortieren von Viagra-Mails geht Arbeitszeit verloren – allein in Deutschland sorgt das für einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Seit mehreren Monaten basteln Koalition und Opposition deshalb an einer Änderung des Teledienstgesetzes, dem so genannten Anti-Spam-Gesetz. Spammen soll zur Ordnungswidrigkeit werden, die mit einer Geldbuße bis 50.000 Euro geahndet werden kann. Doch noch herrscht große Uneinigkeit – und vor allem Ratlosigkeit. Gestern wurde der Gesetzentwurf deshalb im Wirtschaftsausschuss beraten. Zehn Experten hatten sich die Politiker geladen. Doch über die Sinnhaftigkeit des aktuellen Entwurfs waren auch die sich nicht einig.

Umstritten ist, wie mit nationaler Gesetzgebung Spammer im internationalen Netz gejagt werden sollen und wer die Verfolgung übernehmen wird. Nur knapp 1,3 Prozent der in Deutschland empfangenen Spammails kommen auch von hier. Die meisten Spammer sitzen in den USA und Südkorea – und da pfeift man auf das Teledienstgesetz.

„Trotzdem ist das kein Argument dafür, nicht auch auf nationaler Ebene aktiv zu werden“, sagte die verbrauchspolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Höfken, der taz. Eine nationale Verfolgungsbehörde sei ein erster Schritt, um Spam auch international zu bekämpfen, sagt Höfken und nimmt damit der Union den Wind aus den Segeln. Eine Woche zuvor hatte die Internet-Beauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Martina Krogmann, den Gesetzentwurf als „völlig untauglich“ bezeichnet und meinte damit hauptsächlich die vorgesehene Verfolgung von Spammern durch die Ordnungsbehörden der Gemeinden. „Man kann von den Ordnungsämtern nicht verlangen, dass sie morgens Hundehaufen ahnden und nachmittags Spammer jagen“, sagte auch einer der geladenen Experten. Eine Anti-Spam-Agentur auf Bundesebene soll her.

Ob das Spam-Problem mit Gesetzen aus der Welt zu schaffen ist, bleibt dabei durchaus fraglich. Mit Spam lässt sich einfach zu viel Geld verdienen. Wenn nur 0,0025 Prozent aller Empfänger die Viagra-Mail beantworten, macht der Spammer Gewinn.

PHILIPP DUDEK