Bombenanschlag im Kosovo

Bei der Explosion eines Sprengsatzes vor einem Parteibüro in Prishtina werden drei Kinder verletzt. „Warnung“ könnte dem oppositionellen Parteichef gegolten haben

BERLIN taz ■ Eine schwere Explosion erschütterte am Sonntag um zehn Uhr nachts das Zentrum Prishtinas, der Hauptstadt des Kosovos. Der Sprengsatz explodierte direkt vor dem Büro der zweitgrößten Oppositionspartei ORA – möglicherweise ein Hinweis darauf, dass das eigentliche Ziel des Anschlages der ORA-Chef und Verleger Veton Surroi war. Durch die Explosion wurden drei Kinder durch herumfliegende Glassplitter leicht verletzt, am Eingang des Büros entstand Sachschaden. Bisher haben die internationale und lokale Polizei keine Hinweise auf die Täter.

Der Zeitpunkt der Tat lässt darauf schließen, dass die Täter niemanden töten wollten. Doch Botschaften werden im Kosovo nicht immer nur durch die Post oder per E-Mail überbracht. Veton Surroi ist schon vielen Leuten auf die Füße getreten. In den letzten Wochen beklagten er und im Gleichklang dazu seine Zeitung Koha Ditore sowie seine Fernsehstation Koha-TV, dass die Koalitionsregierung zwischen der LDK des Präsidenten Ibrahim Rugova und der AKK des vor wenigen Wochen zum UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag abgereisten ehemaligen Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj ihre Machtpositionen in allen gesellschaftlichen Institutionen ausgebaut habe und mit der organisierten Kriminalität verbunden sei.

Ein harter Tobak gewiss – das waren nicht nur Nadelstiche gegen den etwas selbstherrlich auftretenden Präsidenten. Surroi und auch die zweitgrößte Partei des Kosovos, die ehemalige Regierungspartei PKK des früheren UÇK-Führers Hashim Thaci, vermuteten nach den Wahlen im letzten Herbst, dass Rugova auf den Wechsel des Koalitionspartners drängen würde, um seine eigene Klientel zu befriedigen. Denn die Basis seiner Partei war unzufrieden, das alte Bündnis mit Thaci schmälerte die Aussichten auf Posten und Einfluss. Mit der kleineren Partei Harandinajs ist der Einfluss der LDK so groß wie nie zuvor.

Analytiker im Kosovo wollen nicht so weit gehen, den Anschlag dem Regierungslager anzulasten. Dafür gebe es keine konkreten Hinweise. Doch Spekulationen gibt es viele. So geht die Schweizer Nichtregierungsorganisation „medienhilfe“ davon aus, der Anschlag könne mit den Verhandlungen über den Status des Kosovos zu tun haben. Surroi stimme der internationalen Gemeinschaft zu, die direkte Gespräche zwischen den Albanern und der serbischen Regierung vermitteln wollen, was Rugova ablehnt. Am 18. Februar sei Surroi in der kosovo-albanischen Tageszeitung Bota Sot als „Verräter am heldenhaften albanischen Volk“ und als „Spion des jugoslawischen Geheimdienstes“ bezeichnet worden. Im Kosovo spekuliert man noch über einen anderen Zusammenhang. Am letzten Freitag wurde der 23-jährige Bruder des Premiers, Enver Haradinaj, im Westen des Kosovos, in der Nähe von Peje (Pec) ermordet. Die Täter entkamen. Rache der Anhänger von Ramush Haradinaj an dessen politischen Gegner sei nicht auszuschließen, sagen diese Quellen. Die Polizei untersucht beide Anschläge. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.

ERICH RATHFELDER