Kampfauftrag Wasserseuche

Ausgerechnet Israels Soldatenmagazin bezeichnet die Armee als größten Umweltsünder. Aktivisten wollen jetzt zusammentragen, wie groß der Schaden ist

„Die Sicherheitskräfte tauchen in der Umweltdebatte schlicht nicht auf“

JERUSALEM taz ■ Verrostete Eisenstangen, alte Holzschilder, Motorhauben, halb leere Öldosen, Bezinrückstände im Grundwasser, Patronenhülsen, gezündete Handgranaten – Israels Soldaten sind die größten Umweltsünder des Nahen Ostens. Das behauptet ausgerechnet das Armee-eigene Magazin BeMahane (dt. „Im Camp“). Die Soldatenzeitschrift geißelt ihre Leser als „landesweit größte Umweltverschmutzer“. Dabei geht BeMahane noch nicht einmal ins Detail: Auf Gestank und Lärmbelästigung sowie auf die Umweltsünden von Rüstungsindustrie und Atomforschung wird in dem Bericht nicht eingegangen.

Tatsächlich haben bereits die Staatskontrolleure – eine Kontrollinstanz, deren Aufgabe es ist, öffentliche Missstände aufzudecken – auf gefährliche Substanzen und Strahlungen hingewiesen, die nach militärischen Übungen auf dem Wasser, in der Luft oder in der Wüste zurückbleiben. Ende vergangenen Jahres legten die Kontrolleure dem Verteidigungsministerium einen entsprechenden Umweltbericht vor. Problematisch sei vor allem, so heißt es dort, dass es, sobald von der Armee die Rede ist, dem „Umweltministerium an Informationen mangele“. So kann nur eine bedingte Kontrolle vonseiten des Umweltministeriums stattfinden.

„Die Sicherheitskräfte tauchen in der Umweltdebatte schlicht nicht auf“, erklärt Elad Urian von der Grünen Aktion, einer NGO aus Tel Aviv. „Die größte Einrichtung im Land ist gesetzlich davon befreit, Rechenschaft abzulegen“, erbost sich der Umweltaktivist. Er initiierte deshalb jetzt, gemeinsam mit den beiden großen israelischen Umweltorganisationen, der „Gesellschaft zum Schutz der Umwelt“ und der staatlichen „Verwaltung der Naturschutzgebiete“, ein Projekt, das den vom Militär angerichteten Umweltschaden bilanzieren soll. Militärvertreter sollen bei der Aufklärung helfen.

Der Bericht der Staatskontrolleure bietet erste Anhaltspunkte: So wird etwa über „Bodenverseuchungen in den Lagen des nördlichen Kommandosektors durch Öle und Benzin“ berichtet. Grund dafür sind Tankanlagen, die nicht dafür ausgerüstet sind, Schadstoffe aufzufangen. Konsequenz ist die Verseuchung des in Israel ohnehin raren Trinkwassers. Bedroht ist mittlerweile auch der See Genezareth, Israels größtes Trinkwasserreservoir. „Die Soldaten passen einfach nicht auf“, schimpft der Verwaltungschef des Sees Genezareth, Pinchas Green.

Ökologisch folgenreich ist auch der im Auftrag des Verteidigungsministeriums vorgenommene Bau der Trennanlagen zwischen Israel und den Palästinensergebieten. „Israel wird damit zu einer ökologischen Insel“, erklärt Rannan Borell von der Gesellschaft zum Schutz der Umwelt. „Die großen Säugetiere, wie Steinböcke, Wölfe und Füchse, werden eingeschlossen.“ Je kleiner die „Insel“, desto schwerwiegender seien auf längere Sicht genetische Probleme. Darüber hinaus wird unmittelbar durch den Bau der Anlagen ein Stück Lebensraum der Tiere zerstört.

Ganz besonders prangern die Umweltschützer das Umweltverhalten bei den Manövern an. Panzer rollen durch Naturschutzgebiete, und sanitäre Anlagen gibt es bei den Übungen, die in provisorischen Zeltstädten abgehalten werden, nicht. So fließt das Abwasser direkt in den Sand, „lockt Mücken und Ratten“, schreibt Jonathan Levy, Autor des Artikelas in BeMahane. Immerhin schütze die Armee das Gebiet davor, landwirtschaftlich genutzt zu werden oder gar für den Bau privater Häuser herhalten zu müssen, was der Natur nur größeren Schaden zufügen würde. „Die Frage ist“, so der Umweltaktivist Urian, „ob es nur diese beiden Optionen gibt. Wie wäre es mit einem Naturschutzgebiet, in dem wirklich die Natur geschützt wird?“ SUSANNE KNAUL