„Wir werden für politische Zwecke missbraucht“

Die Union soll das Taktieren beenden und den Elite-Unis zustimmen, meint der Heidelberger Rektor. Die Förderung ganzer Unis wäre bahnbrechend

taz: Herr Hommelhoff, der Elite-Zuschuss für deutsche Unis ist von Hessens Ministerpräsident Koch im Verein mit der Union erneut verschoben worden. Was können Sie tun: Warten? Protestieren? Aufgeben?

Peter Hommelhoff: Warten werden wir und die betroffenen Wissenschaftler, was sollen wir sonst tun? Und protestieren müssen wir. Ich finde es überhaupt nicht gut, dass die Politik die Universitäten in Sonntagsreden hochleben lässt – uns aber nicht die Mittel gibt, um international in der Spitze mitzuspielen. Vor knapp eineinhalb Jahren begann die Debatte über Elite-Unis. Die Nation war elektrisiert, die Hochschulen bereiteten sich sogleich darauf vor – nur die Landesregierungen haben viel geredet, aber wenig getan.

Sind die Bedenken der Länder, der Bund pfusche in ihre Kompetenzen hinein, abwegig?

Selbstverständlich sind es die Länder, die Hochschulpolitik gestalten. Aber das muss man doch nicht doktrinär übersteigern. Die Idee des Bundes, Hochschulen als Ganzes zu fördern, ist eine bahnbrechende Neuerung. Projektförderung, Graduiertenkollegs, Sondertöpfe hier und da, das gibt es doch alles längst. Und dennoch stehen in der Welt mehr als 50 Universitäten vor den ersten deutschen. Was Spitzen-Unis wie die Unsere brauchen, ist ein institutioneller Kraftakt, um außerhalb Deutschlands noch stärker als Leuchttürme gesehen zu werden. Einige Ministerpräsidenten klagen weitere Bildungskompetenzen für sich ein – um ganz andere Ziele zu verfolgen.

Welche?

Um die Hochschulen geht es jedenfalls nicht mehr. Wir werden für politische Zwecke missbraucht. Einige in der Union benutzen die Hochschulen, um Rot-Grün brachial in die Parade zu fahren.

Kein Wunder, kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen.

Egal wie die Wahl ausgeht, das Eliteprogramm für die Hochschulen wird immer unwahrscheinlicher. Verliert die Union, werden die Kochs und Wulffs noch starrsinniger, als sie es schon sind. Verliert Rot-Grün, fehlt der rot-grünen Bundesregierung womöglich der Ehrgeiz, sich überhaupt noch für Spitzen-Unis zu engagieren. Ich finde eine andere Frage wichtiger: Ist die Union eigentlich fähig, sich dem globalen Wettbewerb zu stellen?

Was meinen Sie?

In meinen Augen läuft die Union gerade Gefahr, den Wählern den Eindruck zu vermitteln, dass sie es nicht ist. Sie stellt kleinkarierte Zuständigkeitsfragen und kurzfristige wahltaktische Überlegungen über das Wohl des Landes. An der internationalen Reputation unserer besten Universitäten hängt doch nicht nur wissenschaftlicher Erfolg – das ist für ein rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik eine eminent wirtschaftliche Frage.

Was schlagen Sie vor?

Wer gravierenden politischen Flurschaden verhindern will, muss jetzt handeln. Die Union muss Ministerpräsident Roland Koch zurückpfeifen. Und das Exzellenzprogramm, das die Wissenschaftsminister, auch die der CDU, ausgehandelt haben, endlich unterzeichnen. Es wäre grob fahrlässig, damit bis nach der Bundestagwahl 2006 zu warten.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER