Papa, warum tust du das?

Bald baumelt sie wieder sinnlos am männlichen Handgelenk: Die Herrenhandtasche kommt zurück

Horst ist die kleinste. Gerade mal 21 Zentimeter breit, 11 Zentimeter hoch und 2,4 Zentimeter tief. Rechts unten in der Ecke prangt ein breites schwarzes F. F wie Freitag. Links oben ragt aus Horst eine dünne Schlaufe heraus. So wie sie daliegt, in seinem gedeckten Braun-Beige-Ton, sieht Horst richtig nett aus. Jedoch nur so lange, bis man weiß, was diese Horst eigentlich ist. Eine Herrenhandtasche!

Horst und seine beiden größeren Geschwister Fritz und Willy sind eine Hommage an die Modeexzesse der späten 70er- und der frühen 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das klingt so, als sei das schon ganz schön lange her. Ist es aber (leider) nicht. Damals durften die Männer der Republik noch ungestraft Schnauzbärte, knallbunte Karottenjeans, hellgelbe Pullunder und eben auch Herrenhandtaschen tragen. Der bloße Anblick dieses Männer-Accessoires hat damals tausende Unschuldige verstört.

Mann erinnert sich mit Schaudern an den Tag zurück, als der eigene Vater stolz mit einer Handtasche, die vermeintlich lässig um sein linkes Handgelenk baumelte, nach Hause kam. „Papa, wozu brauchst du denn die Handtasche?“ Schlüssige Antworten gab es schon vor zwanzig Jahren nicht, denn in die Modeerscheinung passte so gut wie gar nichts hinein.

Nun kommt er also zurück, der Klassiker des schlechten Geschmacks. Reanimiert haben das Männer-Accessoire die ansonsten sehr stilsicheren Freitag-Brüder Markus und Daniel aus Zürich. Vor rund zehn Jahren haben die beiden Schweizer mit ihren Umhängetaschen aus Lkw-Planen, Autogurten und Reifenschläuchen Kultobjekte geschaffen. Und viel Geld verdient.

Ob man die bunten Freitag-Taschen nun schön findet oder nicht: Unbestreitbar ist, dass sie richtig praktisch sind. Das allerdings kann und darf man bei den neuen Kreationen der Gebrüder in Frage stellen. Nach und nach folgten noch Geldbeutel, Einkaufsbeutel und Tussi-Täschchen aus denselben Materialien. Die waren schon längst nicht mehr so cool und lässig wie das Original. Nun aber haben Freitags den Vogel abgeschossen. Horst, Fritz und Co., ein Accessoire für „moderne Jäger und Sammler“. Stimmt. In Horst hat kaum ein frisch erlegter iPod Platz.

Für die Brüder sind die Herrenhandtaschen ein „Begleiter des Kosmopoliten“, ein „Außenborder des Playboys“, dessen Hosentaschen zu eng waren, „um selbst seine Yachtschlüssel zu beherbergen“. Bleibt die Frage, wie viele Jungs und Männer im 21. Jahrhundert noch so enge Hosen tragen. Geschweige denn, wie vielen das Problem mit dem Yachtschlüssel bekannt ist. Zudem haben die Freitags einen gravierenden Denkfehler begangen: Wer einen Porscheschlüssel hat, will ihn nicht verstecken, sondern zeigen.

In einem Punkt allerdings muss man den Taschen-Designern aus der Schweiz absolut Recht geben: Ausgebeulte Hinterhosentaschen sind eindeutig noch schlimmer als ihre freischwingenden Herrenbeutel, die so männlich und praktisch sein sollen, dann aber doch nur stören. Es ist demnach ratsamer, Geldbeutel und Handy zu Hause zu lassen. Dann braucht man auch keine Horsts. Auf die propagierte Taschen-Mannzipation kann also verzichtet werden!DANIEL STAFFEN