Terrorbericht bleibt im Tresor

US-Außenministerium hält Studie unter Verschluss. Grund: Zahl der Anschläge gestiegen

WASHINGTON taz ■ Das US-Außenministerium hat erstmals entschieden, seinen jährlichen Terrorbericht nicht zu veröffentlichen. Dem unter Verschluss gehaltenen Papier zufolge gab es im vergangenen Jahr weltweit mehr Terroranschläge als jemals zuvor. Ermittelte der Report „Patterns of Global Terrorism“ für 2003 noch 175 Anschläge, waren es im Jahr 2004 insgesamt 625 Anschläge. Dabei sind die Attentate im Irak noch nicht mitgerechnet. Der Bericht würde Präsident Bush in peinliche Erklärungsnot bringen. Schließlich behauptet er bei fast jedem seiner Auftritte, das der von seiner Regierung geführte so genannte Krieg gegen den Terror erfolgreich sei, die Welt und Amerika sicherer gemacht habe.

Enthüllt wurde die Entscheidung zuerst durch Larry Johnson, einen ehemaligen CIA-Mitarbeiter und Antiterrorfachmann im Außenamt im Online-Magazin „The Counterterrorism Blog“. „Anstatt der Realität ins Auge zu sehen, übt sich die Regierung in Verschleierungstaktik“, monierte er. Auch demokratische Kongressabgeordnete reagierten empört. „Dies ist eine der wichtigsten Studien über globale Terroraktivitäten. Bislang war es undenkbar, dass ihre Erkenntnisse verheimlicht werden“, sagte Henry Waxman.

Die Regierung verteidigte ihren Schritt lapidar damit, dass die vom verantwortlichen „National Counterterrorism Center“ benutzten Methoden möglicherweise fehlerhaft Daten produzieren würden. Dem widersprechen Geheimdienstler in der Seattle Times. Die Datenauswertung sei extrem vorsichtig gewesen, nachdem es bereits letztes Jahr einen Skandal gab.

Der Report für 2003 zeichnete ein rosiges Bild der weltweiten Terror-Situation, das dem Weißen Haus erlaubte, seine vermeintlichen Erfolge im Kampf gegen Terroristen zu feiern. Wenig später sickerte jedoch durch, dass die Daten manipuliert und die Zahlen doppelt so hoch waren. Das Außenamt sah sich daraufhin gezwungen, eine revidierte Version vorzulegen.

2004 schob das Bush-Team die Fehler den für den Bericht zuständigen Abteilungen wegen Umstrukturierungen in die Schuhe, die auf Empfehlung der parlamentarischen „9/11“-Kommission vorgenommen wurden. Seit 1986 ist das Außenministerium gesetzlich verpflichtet, den globalen Terrorzustandsbericht jedes Jahr bis zum 30. April zunächst dem Abgeordnetenhaus im Kongress vorzulegen und danach eine Länderstudie dem Auswärtigen Ausschuss im Senat. Die Ergebnisse wurden stets veröffentlicht. MICHAEL STRECK