theater
: Das Innenleben des Spießbürgers

Innen wie außen. So lautete das Credo der Physiognomik im 18. Jahrhundert: Gefühl und Gesicht, glaubte man, seien deckungsgleich – wie das Antlitz, so das Temperament. Heute sprechen wir von „inneren Werten“ als Gegensatz zu „Äußerlichkeiten“ – lassen uns aber Hintern und Busen tunen.

Das Stück „Innenleben“ des polnischen Autors Marek Koterski, zur Zeit als letzte Produktion des Kölner Inteata am bisherigen Spielort zu sehen, siedelt genau auf der Grenze: Zwischen innerem Traum und äußerem Trauma. Die Grenze ist durchlässig: Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum. Denn wenn ein Stück geschlagene drei Stunden dauert, bleibt die Tür zum Foyer eben offen, ist Pausieren nach eigenem Gusto ausdrücklich erwünscht.

In der riesigen Halle am Melatengürtel inszeniert Inka Neubert das Leben eines Spießers. Die Gleichförmigkeit seiner Tage. Sein dumpfes Dasein in der Trabantenstadt, zwischen überzeugten Hundehaltern, einer nervigen Mutter und der allzu unterwürfigen Frau. Aber wir lernen auch seine Wunschträume kennen, in denen es Blondinen gibt und die Möglichkeit, der Monotonie zu entkommen.

Spieltechnisch verwandeln Inka Neubert und ihre SchauspielerInnen die Vorlage trotz aller Länge in einen spannenden Abend. Der immense Bühnenraum wird zum Rahmen für Simultanbilder aus Sprach- und Körpertheater: Permanent begleiten drei Tänzerinnen elfenartig die Handlung – kommentierend oder konterkarierend, in einfallsreichen Choreografien.

Das Problem des Stücks: Man kennt das alles leider zu gut. Wieder mal versucht ein unzufriedener Kleinbürger, aus seinem öden und schnöden Leben zu entkommen. Wieder mal müssen Sexphantasien als einziger Ausweg herhalten. Wieder mal stellen altkluge Bühnenfiguren tiefschürfende Universalien in den Raum. Und wieder mal ist das alles. Liebe TheaterautorInnen, es reicht. Oder besser: Es reicht nicht. Es muss nicht bei den immer gleichen Innenansichten bleiben. Die Grenze ist offen. HOLGER MÖHLMANN

Innenleben, Inteata, Melatengürtel 117, Tel. 510 37 20, nächste Vorstellungen: 21.-24., 28.-30.04., jeweils 20 Uhr