SCHÖNLEINSTRASSE
: Die Wulff-Wette

Die Quote liegt bei eins zu fünf. Christian Wulff – halte durch!

Kreuzberg, U-Bahnhof Schönleinstraße. Im Wettbüro läuft Kartalspor gegen Kasimpasaspor, türkischer Fußball. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit steht es 0:0. Wer jetzt auf Kartalspor setzt, hat gute Chancen auf einen schönen Gewinn. Hinter dem Tresen steht eine junge Blondine mit Piercing. „Ach ja, die Wette mit dem Wolf“, sagt sie und meint den Wulff, den Christian Wulff, um genau zu sein. „Die ist ganz hinten in der Übersicht, letzte Seite.“ Tipps gebe es bei ihr keine. „Da will ich mich nicht festlegen.“

Ein roter Filzteppich, stumpf und abgetreten, führt in den hinteren Teil des schlauchartigen Raums. Die Luft riecht nach Zigarettenrauch. Drei verwaiste Daddelautomaten, einige abgetakelte Grünpflanzen und ein paar braune Tische aus so etwas Ähnlichem wie Holz verströmen den Glam, den man für eine bundespräsidiale Wette erwarten kann.

Ein alter Mann mit Turnschuhen, schwarzer Trainingshose und Herbert-Wehner-Gedächtnis-Brille hält sich an einem Plastikbecher Kaffee fest. Neben ihm steht eine Aldi-Tüte, und Christian Wulff ist ihm egal. Anders der gutgelaunte Türke mit Che-Guevara-Mütze: „Der bleibt, klarer Fall. Da würde ich hoch setzen, und mach unbedingt Kombiwette“, empfiehlt er.

Kombiwette, das sind drei Wetten auf einmal, die jeweiligen Quoten miteinander multipliziert. Liegt man einmal falsch, ist die ganze Wette verloren. Zum Glück gibt es die Bundesliga, ein Hoch auf die Pseudomannschaften aus Wolfsburg und Hoffenheim. Ihre vorhersehbaren Auswärtsniederlagen in München und Dortmund sind der Humus, auf dem meine Wulff-Wette seit dem Wochenende prächtig gedeiht.

Bis zum 1. April muss sich der semmelblonde Schnäppchenjäger im Schloss Bellevue noch verschanzen – und ich bin reich. Die Quote liegt bei eins zu fünf. Christian Wulff – halte durch!

TIEMO RINK