Berliner Platten
: Drei harte Männer, drei weiche Kerne

Alec Empire: „Futurist“(DHR/Rough Trade)Sha-Karl: „Dis Wars …“(Big Bud/Alive)S. Black & Saad: „Carlo Cokxxx Nutten II“ (Urban/Universal)

Der eine will per Gitarrenlärm nichts weniger als die Revolution auslösen, der nächste „fickt Mütter von Missgeburten“ und der letzte immerhin Groupies. Drei Männer, drei harte Männer, und einer davon ist Alec Empire: Strenger Blick aus kantigem Schädel, gewandet ganz in Schwarz. Etwas aber hat sich geändert: Auf der Rückseite seines neuen Albums „Futurist“ trägt er einen Gitarrenkoffer über die Straße –und eben keine Rhythmusmaschine. Aus dem ehemaligen Elektro-Punk ist endgültig ein Rocker geworden, wenn auch ein weiterhin radikaler. „I’m talking about the death of rock’n’roll“ ist die Botschaft, die mit den ersten Worten des Albums verkündet wird: Die Posen, die Empire bevorzugt seit den Zeiten seiner damals bahnbrechenden Band Atari Teenage Riot, sind also immer noch die alten. Die Parolen auch: Die Welt ist scheiße, die da oben sind böse und wenn wir die ganze Chose in die Luft jagen, wird alles prima. So simpel das Weltbild, so brachial und – ja, doch – beeindruckend ist die Musik auf „Futurist“ geworden. Und wenn man genau hinsieht, kann man sich auch einbilden, Empire sieht hinter seiner dunklen Sonnenbrille gar nicht mehr aus wie er selbst, sondern wie der junge Lou Reed.Bushido, Rapper aus Tempelhof, nutzt seine momentane Popularität und legt nur ein halbes Jahr nach seinem Top-Ten-Album „Electro Ghetto“ nach: Sein Alter Ego Sonny Black geriert sich auf „Carlo Cokxxx Nutten II“ noch mal ein wenig brachialer als das Original und wurde mit einem Charteinstieg auf Platz drei belohnt. Bei der vor vier Jahren erschienenen ersten Folge war noch Fler der Partner von Bushido, diesmal wird er unterstützt von dem erst 19-jährigen Saad. Über Beats, die man je nach Sichtweise als reduziert oder stumpf bezeichnen kann, penetrieren die beiden mit Leichenbittermiene den guten Geschmack: Auf keiner deutschen Rap-Platte dürften bislang so viele Mütter und so viele verbotene Substanzen missbraucht worden sein. „Ich bin der einzige Gangster auf Deutsch“, behauptet Saad und bedient fröhlich noch jedes überkommene Klischee. Battle-Rap hat immer einen Drall zur Comedy, aber unsere beiden Möchtegern-Zuhälter, von denen – glaubt man, was sie so rappen – die ganze Verwandtschaft im Knast sitzt, übertreiben es so maßlos, dass man selbst darüber nicht mehr lachen kann.Auch Sha-Karl – als Berliner Rapper muss man das wohl notgedrungen – übt sich im Battle: Und ist natürlich der Beste und der Schönste, hat den Größten und die allermeisten Gäste auf seinem Album „Dis Wars“. Immerhin aber demonstriert er entschieden mehr lyrischen Einfallsreichtum als mancher Konkurrent und traut sich auch mal eine Geschichte zu erzählen. Selbst musikalisch geht einiges: „Nothin’ Like“ ist ein butterweiches Disco-Stück, das zwar bei den Kumpels keine Punkte bringt, aber zu dem selbst der junge John Travolta gerne abgegangen wäre. Mitunter, so in „Mehr als ihr glaubt“, wird der harte Mann sogar ganz verschmust. Aber auch das gehört wohl zum Konzept: Ein bisschen weicher Keks in harter Schale – das geht schon. THOMAS WINKLER