Peter Grohmann
: Exekution

Der Zorn wächst. Immer mehr populäre Politiker fordern, dass der Grieche endlich seine Hausaufgaben machen muss (dann die Italiener, Portugiesen, Spanier etc. pp). Heute unterscheidet sich unsere Gesellschaft von der griechischen, der Polis, insoweit, als die eine pleite ist und die andere auch. Das alles beschäftigt das gemeine Volk, das den Griechen nicht durchfüttern will, sondern ihn lieber am langen Arm verhungern lassen würde. Aber nur, wenn er nicht gut tut.

Bekanntlich haben die Griechen die Demokratie erfunden, was wir inzwischen schwer bereuen. Die Griechen auch, denn dort bestimmen 50 Familien, wo's langgeht – mit der Presse, den Banken, den Zinsen, den Schulden. Und wenn die nicht mehr ein und aus wissen, kommt ein Politkommissar von der Europäischen Union. Freilich, er muss aufpassen, denn der Grieche ist empfindlich: Er hat immerhin 4.000 Jahre Geschichte auf dem Buckel – eine lange Zeit, in der er viel erlebte. Er hätte in dieser Zeit einiges ansparen können, hat aber wohl lieber gelebt. Bei einer Verzinsung von z. B. nur zwei Prozent hätte er es heute nicht nötig, bei den Nachbarn betteln zu gehen.

Dennoch – die Freundschaft des Griechen ist traditionell. Einmal wegen der Millionen Ferienhäuser (die ja jetzt uns gehören), zum anderen wegen der Geschichte: Im Zweiten Weltkrieg griffen die Italiener Griechenland an – doch der griechische Partisan versteckte sich in den Bergen und lockte den Italiener in den Hinterhalt. Erst als das Deutsche Reich den Italienern zu Hilfe kam, herrschte wieder Ruhe und Ordnung im Lande.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, verkürzt gesagt, kam den Herrschenden abermals die Demokratie in die Quere, sodass nur die allseits bekannten Obristen Griechenland retten konnten. Aus Dankbarkeit wurde Griechenland 1952 Mitglied der Nato und 1981 Mitglied der EG, was wir alle bereuen. Auch die Medien. Daher diese Empfindlichkeit.

Der Grieche tut nun überrascht, wenn durch die EU sein Parlament abgeschaltet wird. Wir können ihn beruhigen, das kommt auch bei uns vor. Aber soweit mir bekannt ist, gibt es neben der Legislative und der Judikative erfreulicherweise auch die Exekutive, und wenn da irgendwas schiefgehen sollte, ob bei uns oder in Griechenland, dann haben wir die vierte Gewalt – die donnert gewissermaßen dazwischen: Streusalz in die offenen Wunden der Polis. Mit der vierten Gewalt meint sich die Presse selbst, aber eigentlich ist damit die ganze Öffentlichkeit gemeint. Der eine Teil der vierten Gewalt – die Presse – stimmt quasi den anderen Teil der vierten Gewalt – die Öffentlichkeit – auf das ein, was der eine Teil für richtig und machbar hält: Die Demokratie, oder: Ohne vierte Gewalt wird nicht exekutiert.

Peter Grohmann, Kabarettist, ist Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter