Polizist verliert gegen das Land

Nach mehr als vier Jahren geht der gerichtliche Streit um die Drogen-Arbeit der Bielefelder Polizei zu Ende. Der gefeuerte Ex-Polizeichef Kruse ist mit seiner Forderung nach Schmerzensgeld gescheitert

VON ULLA JASPER

Die Hoffnung auf Rehabilitation war vergebens – Horst Kruse, ehemaliger Bielefelder Polizeichef, ist mit seiner Schmerzensgeldklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen gescheitert.

Damit scheint auch die letzte Klappe in einem Mammutverfahren gefallen zu sein, in dem die jetzt abgewiesene Klage nur ein Nebenaspekt war. Vielmehr ging es in den mehr als vier Jahre andauernden gerichtlichen Auseinandersetzungen vor allem um die Drogenpolitik der rot-grünen Landesregierung, um widersprüchliche Aussagen mehrerer Staatsanwälte und Rechtssicherheit für Polizei und Suchtberater.

Rückblende: Im Oktober 2000 leitet die Staatsanwaltschaft Bielefeld ein Verfahren gegen Horst Kruse, den damaligen Polizeichef in Bielefeld, ein. Kruse wird vorgeworfen, in seiner Funktion als Polizeichef, in einer Bielefelder Anlaufstelle für Drogenabhängige zwischen 1998 und 2000 gewerbsmäßigen Drogenhandel und Konsum toleriert zu haben. Der Leiter des Drogenkommissariats hatte zuvor ausgesagt, die Polizei sei in der Einrichtung seit längerer Zeit nicht mehr tätig gewesen, Razzien in dem Gebäude seien von ihm untersagt worden. Zudem soll Kruse seine MitarbeiterInnen veranlasst haben, nicht gegen drogenabhängige Prostituierte vorzugehen. Der Vorwurf der Ermittlungsbehörden: Strafvereitelung und Förderung der Prostitution.

Die CDU im Düsseldorfer Landtag verlangt daraufhin in einer eigens anberaumten Aktuellen Stunde die Entlassung Kruses: „Ein Polizeipräsident muss nach Recht und Gesetz handeln“, so das damalige Urteil der Konservativen. Politiker der rot-grünen Landesregierung unterstützen den Polizeichef hingegen. Sozialverbände und Drogenberatungsstellen stellen sich vor Kruse – sie fordern generell mehr Rechtssicherheit für Drogenberater und Polizisten in der niedrigschwelligen Drogenarbeit. Ohne konkretere Regelungen bestehe immer die Gefahr, dass „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann, wenn sie dort ihre Arbeit tun, zwangsläufig mit einem Bein im Knast stehen“, so der Bundesverband für akzeptierende und humane Drogenpolitik (Akzept). Die Landesregierung beeilt sich aber klarzustellen, dass „nicht die Drogenpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen vor Gericht“ stehe. Am Konzept der niederschwelligen Drogenberatung und der „Fixerstuben“ genannten Konsumräume will sie fest halten.

Als Reaktion auf die Kritik an seiner Person und das laufende Ermittlungsverfahren bittet Kruse Innenminister Fritz Behrens (SPD) im April 2001 um seine Beurlaubung und beantragt selbst ein Disziplinarverfahren gegen sich, im Juni wird er in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Behrens erklärt, er werde nicht zulassen, „dass der Polizeipräsident hinterhältig demontiert wird“.

Fast ein Jahr später, im März 2002, erhebt die Staatsanwaltschaft Münster schließlich Anklage gegen Kruse und fünf weitere Angeklagte, darunter zwei Polizisten und drei Drogenberater. 14 Monate, 83 Seiten Anklage und 147 Zeugen später dann das Urteil: Gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 7.500 Euro wird das Verfahren gegen Kruse eingestellt, nachdem der Ex-Polizeichef eingeräumt hatte, dass es „bei der Umsetzung der Konzepte Probleme gegeben hat“. Dennoch bezeichnet er den Prozess an sich als „Skandal“, da die Beamten wegen der fehlenden rechtlichen Vorgaben in einem Dilemma seien: „Für die Beamten ist das eine heikle Angelegenheit, soll man wegsehen oder nicht?“

Für Kruse war die Auseinandersetzung mit der Einstellung des Verfahrens jedoch nicht beendet – er strengte ein Schmerzensgeldverfahren gegen das Land an, weil er durch die staatsanwaltlichen Ermittlungen und die Presseveröffentlichungen seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht. Ihm gehe es jedoch nicht um die geforderten 6.000 Euro Schmerzensgeld, sondern um seine Rehabilitation, erklärte Kruse zu Prozessbeginn.

Gestern nun wies die achte Zivilkammer des Landgerichts Dortmund die Klage ab. Zum Verhängnis wurde Kruse, dass er im Jahr 2003 das Urteil akzeptiert hatte. Dieses „Schuldeingeständnis“ belege, so das Gericht, dass das Ermittlungsverfahren gerechtfertigt gewesen sei.