Zertifikat schööööön

Bremer Unternehmen stellen ihre familienfreundlichen Stärken heraus und bekommen dafür eine Urkunde

bremen taz ■ „99 Prozent der jungen Leute wollen einen Job, 90 Prozent Kinder“, erklärt Professor Helmut Spitzley vom Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen. Diese Wünsche in Einklang bringen wollen die Aktiven des Verbundprojektes „Beruf und Familie“ – und fördern und gute Beispiele herausstellen und Anreize schaffen. Deswegen zeichnete Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) gestern fünf Unternehmen mit einem Zertifikat als besonders familienfreundlich aus.

Es gehe um eine neue Unternehmenskultur beteuern alle Beteiligten des Projektes, das von der Hertie-Stiftung betreut und wissenschaftlich von Patrick Frede von der Bremer Uni begleitet wird. Feste Standards für den Erhalt des Zertifikats gebe es nicht, sagt Frede. Entscheidend sei das familienfreundliche Gesamtkonzept. „Die Ziele sind bewusst niedrig. Es geht ja darum, Unternehmen erst einmal darauf zu bringen, dass es Entwicklungsmöglichkeiten gibt.“

Melanie Brauer, Personalreferentin bei der Bremer Heimstiftung ist eine, die ein Grundzertifikat bekommt. Sie hat zwei Kinder, arbeitet zehn Stunden in der Woche. „Da habe ich ein ureigenes Interesse, Familie und Beruf gut miteinander zu verbinden“, sagt die 32-Jährige, die gern wieder mehr arbeiten würde. Das Zertifikat bekommen zwei Häuser der Heimstiftung, die die Prüfung der Hertie-Stiftung bestanden haben. „Viel haben wir nicht umstrukturiert, nur unsere Stärken herausgestellt“, erklärt Vera Borchardt, Hausleiterin im Stiftungsdorf Rönnebeck. Ihre Mitarbeiter hätten eine besondere Wertschätzung, sagt sie und meint damit Kollegialität. Kinder von Mitarbeitern könnten in einem Gästeappartement übernachten oder tagsüber bei der Arbeit dabei sein. Daran wollen sie weiter arbeiten, denn in drei Jahren könnten sie so womöglich ein weiteres Zertifikat einheimsen.

Erkämpfen könnten die Mitarbeiter durch das Zertifikat nichts. Aber Firmen sollten erkennen, dass es sich lohne, intensiver auf Wünsche und Nöte der Arbeitnehmer einzugehen, meint Henner Günther vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der bei dem Projekt mitwirkt. Neue Arbeitszeitmodelle seien besonders gefragt. Das hätten Unternehmen erkannt, die so ihre qualifizierten Mitarbeiter halten könnten. Aber könnten die statt Geld für Prüfung und Zertifikat auszugeben, nicht jede Menge billiges Personal bekommen, dass auf einen Job wartet und nicht nach flexiblen Arbeitszeiten fragt? „Das hoffe ich nicht“, sagt der Gewerkschafter – und schweigt. Kay Müller