Gefühlte Enge vor der roten Linie

SOZIALPOLITIK Die Wohlfahrtsverbände fordern eine „sozialverträgliche“ Schuldenbremse, eine Vermögens- und Transaktionssteuer – und drohen Jugendfreizeitheime zu schließen, wenn noch mehr gespart wird

Zum Landesverband der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW) gehören in Bremen die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt, die katholische Caritas und ihr evangelisches Pendant, das Diakonische Werk, sowie „Der Paritätische“, die Jüdische Gemeinde und die Bremerhavener Volkshilfe.

■ Zusammen betreiben sie 744 Einrichtungen mit einem Jahresumsatz von rund einer halben Milliarde Euro. Insgesamt beschäftigen die Verbände in Bremen nach eigenen Angaben gut 20.000 ArbeitnehmerInnen – und etwa 2.800 Ehrenamtliche. (taz)

Und sie wollen doch drohen. Irgendwie. Also: der Stadt Bremen, mit Leistungskürzung. Andererseits aber auch wieder nicht. Denn: Bei der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (LAG FW) wollen sie nichts grundsätzlich in Frage stellen. Nicht die sozialen Dienste. Nicht die Schuldenbremse. Nicht die Haushaltskonsolidierung. Und einfach mehr Geld fordern, das wollen sie auch nicht. Aber doch sagen, und das sagt Arnold Knigge, Vorstandssprecher der LAG FW, immer wieder: „Die Grenze ist erreicht.“ Allerdings: Die „rote Linie“ sei noch nicht überschritten. Zumindest nicht mit dem aktuellen Etatentwurf.

Gestern stellten die freien Wohlfahrtsverbände ein gemeinsames Positionspapier vor. Darin fordern sie eine „sozialverträgliche Umsetzung“ der Schuldenbremse ein. Sie dürfe nicht dazu führen, dass „dringend benötigte“ Projekte „in ihrer Qualität oder gar in ihrem Bestand“ gefährdet würden, sagt Knigge. Zugleich sprach er sich für die Wiedereinführung der Vermögens- und eine Finanztransaktionssteuer aus.

Zwischen 1992 und 2006 war Knigge selbst verantwortlicher Politiker – als SPD-Staatsrat im Arbeits- und Sozialressort. Zurücktreten musste er am Ende ob seiner mangelhaften Kontrolle über die örtlichen Kliniken. Die kam Bremen teuer zu stehen: Die kriminellen Machenschaften der Chefs des Klinikums Bremen-Ost, Andreas Lindner, sowie der Klinik-Holding, Wolfgang Tissen, kosteten Millionen. Knigge hatte beide protegiert.

Natürlich sei es „auch schwierig“ gewesen zu jener Zeit, als er noch Staatsrat war, sagt Knigge. Doch jetzt sei die Enge „deutlich spürbarer“. Deutliche Qualitätseinbußen seien nicht nur in der Alten- und Behindertenhilfe, sondern auch in Jugendfreizeitheimen und Kindertagesstätten zu befürchten, sagen Caritas-Vorstand Martin Böckmann und Jürgen Höptner, Landesgeschäftsführer des Roten Kreuzes, unisono. Seit 1992 seien die Entgelte für soziale Leistungen um ein Fünftel gesenkt worden.

Die MitarbeiterInnen arbeiteten „ständig an der Leistungsgrenze“, ihr Krankenstand sei „erhöht“, die Versorgung etwa bei den Kindertagesstätten „nicht ausreichend“, so Höptner. In der Pflege sei auch die Belastung der Angehörigen „exorbitant“ gestiegen, zumal gerade in der ambulanten Pflege ein „auskömmliches Einkommen“ kaum zu erwirtschaften sei. Konkret wurde die Drohung der LAG FW bei den Jugendfreizeitheimen: Würden die dortigen Kürzungen in den kommenden Jahren fortgeschrieben, sei „nicht auszuschließen“, dass sie nicht weiter betrieben werden könnten. MNZ