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DER WACHMANNGeld in der Nacht

Das Unglück kann schneller kommen, als man denkt

Die Sparkassenfiliale in der Grünberger Straße in Friedrichshain ist sehr klein und besteht aus zwei Geldautomaten, einem Kontodrucker, einer Kamera und einem Heizkörper. Wenn es draußen kalt ist, wird der Raum zum Aufenthaltsort für Obachlose, Alkoholiker und andere, die kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Manchmal stinkt es so sehr, dass ich es kaum erwarten kann, bis der Automat meine Piepen ausspuckt. Es ist befremdlich, Geld aus dem Schlitz zu nehmen, während wenige Zentimeter daneben jemand im Schlafsack auf dem Boden liegt.

Damit die Filiale nicht zur Herberge verkommt, war schon seit einiger Zeit bis 20 Uhr ein Wachmann vor Ort. Neulich habe ich mich mit dem freundlichen älteren Mann in blauer Uniform unterhalten. Er hat sich über die Ablenkung gefreut. Schließlich verweilt, seit er seinen Dienst tut, niemand mehr länger als wenige Minuten in der Filiale. „Man darf nicht alle über einen Kamm scheren“, verteidigte er die, die er fernhalten soll, und erzählte von Ausländern, die wegen der Arbeit nach Berlin gekommen sind und nicht bezahlt wurden. „Das kann schneller gehen, als man denkt.“ So viel Verständnis hatte ich nicht erwartet. Ältere Männer, sagte er, seien nicht so das Problem. „Aber der Kindergarten!“ Gemeint waren 16-, 17-Jährige, „die vor nichts und niemandem Respekt haben“.

Der Wachmann kam richtig in Fahrt. „Oder neulich, da kam einer im Blaumann rein, wahrscheinlich ein Rohrleger, und rauchte. Als ich ihm sagte, dass das verboten ist, hat er mich übelst beschimpft.“ Nach einer kurzen Pause sinnierte er darüber, warum Menschen überhaupt in der Nacht Geld abheben müssen. „Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal Geld abgehoben habe“, sagte er. Dass Wachmänner schlecht bezahlt werden, war mir bekannt. Dass sie so wenig verdienen, hat mich dann aber schon überrascht. BARBARA BOLLWAHN

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