Schily mit Unschuldsmiene in Köln

Der SPD-Bundesinnenminister referiert im Gürzenich zum Thema „Extremismus bekämpfen“. Fragen nach der Gefahr eines Überwachungsstaats bügelt er ab

KÖLN taz ■ Otto Schily war ganz in seinem Element. Ob denn die zunehmende „Speicherung von Bürgerdaten“ nicht den Überwachungsstaat schaffe, wollte jemand wissen. Da konnte der Innenminister, den die drei Kölner SPD-Bundestagsabgeordneten Lale Akgün, Marc Jan Eumann und Rolf Mützenich am vergangenen Freitag nach Köln eingeladen hatten, richtig loslegen: Wer werde denn in Mitleidenschaft gezogen, wenn Daten gespeichert würden, fragte Schily mit Unschuldsmine in den Gürzenich-Saal hinein. Schließlich gehe es um schwere Delikte wie Kinderpornographie und Terrorismus; er habe die Verantwortung, Menschen zu schützen. Deshalb: „Lassen Sie sich nicht einreden, dass wir jeden beobachten wollen.“ Fast beruhigt nahm der Frager wieder Platz.

Auch sonst blieb Schily während der eineinhalbstündigen Diskussion (Thema: „Grundrechte verteidigen – Extremismus bekämpfen“), die gleichzeitig eine Wahlkampfhilfe für die niedergeschlagenen Genossen sein sollte, betont sanft. Er sprach in wolkigen Sätzen über Zivilcourage, weltweiten Jugendaustausch und davon, die „geistig-politische Auseinandersetzung voranzubringen“.

Es war ziemlich deutlich: Schily führt den Seiltanz auf, den die SPD in ganz Nordrhein-Westfalen üben muss. Denn einerseits will man der schwarz-gelben Opposition in der heißen Wahlkampfphase das Feld beim Thema Sicherheit nicht kampflos überlassen. Andererseits darf der sicherheitspolitische Hardliner Schily, der mit Hubschraubern Jagd auf Graffiti-Sprayer macht, mit dem Schreckgespenst des Überwachungsstaates auch keine Wähler verprellen.

CHRISTOPH SCHEUERMANN