„Ohne Willen, ohne Seele“

VODOU-LOUNGE Utz Anhalt erläutert die Verwandtschaft von Film- und Vodou-Zombies

■ 40, promovierter Historiker und Anthropologe, bearbeitet als Publizist Themen und Figuren vom Werwolf über Zombies bis hin zum Piraten.

taz: Herr Anhalt, ist das nicht genau der falsche Film zu einer Vodou-Ausstellung?

Utz Anhalt: Sie meinen George Romeros „The Night of The Living Dead“? Der hat mit Vodou im Grunde nichts zu tun. Aber er passt bestens zu meinem Vortrag über die Figur des Zombies. Und der handelt wiederum viel vom haitianischen Vodou. Auch haben die Zombies im Vodou und die lebenden Toten bei Romero gemein, dass sie ihre Persönlichkeit verloren haben. Von daher passt es also doch gut zusammen.

Bloß wegen der Untoten? Dann könnte man auch jeden x-beliebigen Vampir-Film zeigen …

Nein, moderne Vampire haben eine individuelle Persönlichkeit – im Gegensatz zum geistlosen Körper des Vodou-Zombies. Wahr ist, dass Romero das Wort Zombie im Film nicht gebraucht. Irgendwo ist von ghuls die Rede, also Ghûlen.

Die gibt’s auf Haiti nicht.

Stimmt. Das sind in arabischen und persischen Erzählungen Dämonen, die sich auf Friedhöfen aufhalten, weil sie das Fleisch der Leichen fressen – wie Romeros Kreaturen. Allerdings: Die Fortsetzung seines Films heißt auf Deutsch selbst „Zombie“. Und der Begriff passt auf das Verhalten seiner Untoten.

Inwiefern? Die werden doch von selbst aktiv, ohne Magier, der sie lenkt?

Das ist richtig. Aber diese Figuren bewegen sich nur aus einer Art Instinkt, also ohne erkennbare Absicht, ohne Willen, ohne Seele. Die haben keine Intelligenz …

Die sind echt stumpf.

Das ist etwas, was es auch bei fantastischen Figuren nur sehr selten gibt. Und es ist genau das Entscheidende beim Zombie des Vodou: Der Schwarzmagier, der Bokor, hat die Macht, die Verbindung des Körpers mit dem Gwo Bonanj zu kappen …

also zu den Geistern …

Eines bringt er dann in seine Gewalt: In westliche Begriffe übersetzt gibt es also entweder eine Seele ohne Körper – oder einen Körper ohne Seele, den er versklavt. Romero nutzt das für eine bitterböse Sozialkritik. Bei ihm stehen die Zombies für das Verdrängte, das sein Recht einfordert – und an dem die positiven Hippie-Utopien scheitern. Der Film ist, obwohl 1968 gedreht, im Grunde schon ein Film der Punk-Generation. INTERVIEW: BES

Vortrag und Film, Übersee-Museum, 19 Uhr