Lallen im Vakuum

Helmut Kohl hat eine Freundin. Und sie heißt nicht Juliane Weber. Schade um ein Lieblingsgerücht der Journaille

Gerüchte sind das älteste Massenmedium der Welt. Behauptet zumindest der französische Gerüchteforscher Jean-Noel Kapferer. Das Massenmedium Bild hingegen beerdigte letzte Woche vorerst endgültig das Uraltgerücht, Helmut Kohl sei mit seiner langjährigen Büroleiterin und Vertrauten Juliane Weber liiert: „Helmut Kohl hat ein neues Glück gefunden“, jubilierte Bild am Samstag, auch wenn Kohl sich nicht weiter äußern wollte: „Das ist meine Privatangelegenheit.“ Dr. Maike Richter heißt sie und ist 41 Jahre alt. Und nein: Juliane Weber ist nicht Camilla Parker-Bowles.

In der Regel sind Gerüchte eben dramatischer als die dahinter stehende Wahrheit. Dennoch erfüllen sie einen Zweck, sie füllen Löcher in der Kommunikation und sichern den sozialen Zusammenhalt. Der Kommunikationswissenschaftler Cyrill N. Parkinson unterstellt Gerüchten allerdings prinzipielle Bösartigkeit: „Wo immer in der Kommunikation ein Vakuum entsteht, werden Gift, Müll und Unrat hineingeworfen.“

Also immer dann, wenn man nichts Genaues weiß. Da Journalisten aber in dem Ruf stehen, alles zu wissen, bzw. von ihnen erwartet wird, alles zu wissen, prahlen sie bei gesellschaftlichen Anlässen gerne mit vermeintlich gesichertem Wissen: Natürlich weiß man, dass ein bekannter Hollywoodstar schwul ist, aber man darf es nicht schreiben, weil sonst die Anwälte mit einer Millionen-Klage vor der Tür stehen. Man weiß genau, wie viele Pils Gerhard Mayer-Vorfelder in einer Halbzeitpause austrinken kann (9) und dass Adolf Hitler beim Marsch auf die Feldherrenhalle die Genitalien (2) weggeschossen wurden.

Gerüchte verheißen Lustgewinn. Die einen genießen ihren Status als Wissende, sie sind wichtig, der Zuhörer sieht im Gegenzug seine schlimmsten Erwartungen bestätigt – und fühlt sich als Teil der Info-Elite.

Gerüchte geraten allerdings schnell außer Kontrolle. Einmal in die Welt gesetzt, verbreiten sie sich in Windeseile, der Hinweis „bitte nicht weitererzählen“ wirkt dabei als Brandbeschleuniger. Wenn überhaupt, sind sie nur mit Fakten aus der Welt zu schaffen: „Es stimmt, ich habe eine neue Lebenspartnerin.“ Damit hat Kohl alles gesagt.

Da es aber weh tut, wenn ein langjähriges, vertrautes Gerücht einfach so zerplatzt, muss ein neuer Kübel mit Gift, Müll und Unrat her: Helmut Kohl und Juliane Weber hatten einen großen Krach und haben vor einem Jahr Schluss gemacht. So. Aber bitte nicht weitererzählen.MARTIN REICHERT