KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DIE SPANNUNGEN ZWISCHEN MOSKAU UND TIFLIS
: Piesacken im Pulverfass

Der Kaukasuskrieg jährt sich zum ersten Mal, und wieder spitzt sich die Lage nach dem Vorjahresszenario zu. Provokationen und Bruch des Waffenstillstands werfen sich die Konfliktparteien wechselseitig vor. Die Lage im Kaukasus heute entspricht aber nicht mehr der vor einem Jahr.

Anders als zu Zeiten der Bush-Administration lassen die USA den georgischen Präsidenten Saakaschwili nicht mehr aus den Augen. Erst im Juli beschied Washington dessen Wunsch nach Abwehrraketen abschlägig. Auch die Nato-Aufnahme rückte in die Ferne. Ebenfalls nicht unwichtig ist das Engagement der EU. Das Programm der „östlichen Partnerschaft“ war eine Kriegsgeburt so wie die ständige Mission von EU-Beobachtern vor Ort. Sie konnten Provokationen seitens Georgiens nicht feststellen.

Bleiben noch zwei: Moskau und sein Statthalter in Südossetien. Sie lassen nicht locker, bis Georgien ihnen in den Schoss fällt. Das neoimperiale Gehabe des Kremls ist indes nur Fassade. Dahinter verbergen sich Unsicherheit und die reifende Erkenntnis der eigenen Verwundbarkeit. Der letzte Triumph war ein Pyrrhussieg. Frühere Sowjetsatelliten kehrten Moskau endgültig den Rücken. Die Errichtung einer Einflusssphäre im europäischen Vorland schlug fehl.

Russland wird von der bitteren Wahrheit überrollt. Der Krieg hat die vom Kreml viel beschworene neue multipolare Weltordnung bestätigt. Nur muss dieser diese eher fürchten. Die Kraft reicht nicht zum Mitmischen. Zuletzt verstärkte auch die Finanzkrise noch Moskaus Unsicherheit. Nun ist es auch für Investoren nicht mehr so attraktiv. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Ausgang des Konflikts nur schwer absehen. Irrationale Motive regieren mit, was der Auseinandersetzung besondere Explosivität verleiht. Man gibt sich stark, um Schwäche zu kaschieren.