Verhalten optimistisch

WECHSEL Die Oppositionspartei will das Militär aus der Politik verbannen. Doch das kann sich hinziehen

RANGUN taz | Im Hauptquartier der Nationalliga für Demokratie (NLD) im Stadtteil Bahan herrscht Hochbetrieb. Dutzende Besucher drängen sich in dem schmalen Raum. Mehr als ein Dutzend Fotos von Parteiführerin Aung San Suu Kyi hängen an den Wänden. Bücher und Unterlagen stapeln sich in Regalen. Besucher füllen Mitgliedsanträge aus und nehmen an politischen Schulungen teil.

Im Konferenzzimmer im obersten Stock des Gebäudes sitzen Tin Oo, der Vizevorsitzende der NLD, und Win Htein, der Leiter der Parteizentrale, an einem langen Tisch. Auf einem Aktenschrank steht eine goldfarbene Büste von Aung San Suu Kyi. „Die Deutschen sind sehr erpicht darauf, hier Geschäfte zu machen. Und das so bald wie möglich. Trotz der Bedingungen hier“, sagt Win Htein. Er habe erst kürzlich den Mitgliedern einer deutschen Wirtschaftsdelegation erklärt, dass eine Aufhebung der Sanktionen für die NLD derzeit kein Thema sei, da auch die jetzige Regierung immer noch Menschenrechtsvergehen begehe.

Nach den Nachwahlen im April möchte die NLD eng mit den Soldaten im Parlament zusammenarbeiten, erklären beide Politiker. Ein Viertel der Parlamentssitze ist gemäß Armeeverfassung von 2008 für das Militär reserviert. „Vieles hängt von den jungen Offizieren ab“, sagt NLD-Vizechef Tin Oo. „Die verstehen die Situation gut, und sie sind gebildet. Ganz anders als die älteren Offiziere.“ Er glaube daran, dass die Armeeabgeordneten auf Suu Kyi hören werden. „Sie ist die Tochter des großen Generals Aung San. Jeder Birmese weiß, wer das war.“ Der Unabhängigkeitskämpfer Aung San hat Birmas Armee gegründet. Auch NLD-Vize Tin Oo, heute 84 Jahre alt, hat eine lange Armeekarriere hinter sich. Im Jahr 1988 gründete er mit Suu Kyi die Nationalliga für Demokratie. Nach mehreren Festnahmen kam er erst im Februar 2010 wieder frei.

Sobald die NLD in das Parlament eingezogen ist, wolle sie die Armeeverfassung ändern, sagt Win Htein, der Leiter der Parteizentrale. „Unser ultimatives Ziel ist es, die Armee schrittweise komplett aus der Politik herauszubekommen, innerhalb der nächsten fünf oder zehn Jahre. Es wird Zeit brauchen.“ Mit den Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte soll sich eine UN-gestützte Untersuchungskommission nach dem Vorbild der Wahrheitskommission in Südafrika befassen, erklärt der Politiker weiter. „Und das nicht, um Rache zu üben, sondern damit die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Damit wir sicher sein können, dass solche Dinge in Zukunft nicht noch einmal geschehen.“ Beide Politiker bewerten den Reformprozess vorsichtig. „Wenn Sie uns fragen, ob wir zu hundert Prozent daran glauben: Nein. Aber wir sind verhalten optimistisch“, sagt Win Htein. DANIEL BECKER