Vom guten Soldaten

Schon 1955 wurde Hitlers Ende verfilmt. Jetzt kommt G. W. Pabsts „Der letzte Akt“ wieder ins Kino

von Georg Felix Harsch

Eigentlich ist zu Der Untergang schon viel zu viel gesagt worden. Mittlerweile droht die Aufnahme in Lehrpläne, und nicht nur bei der Filmbewertungsstelle wagnert man wieder Adjektive wie „groß“ und „wahr“. Wahr ist auch, dass Der Untergang ein Remake ist. Deshalb wird das Raunen in den Feuilletons und pädagogischen Institutionen jetzt um das Original im Kino ergänzt: Der Letzte Akt, 1954/55 vom langjährigen Stummfilm-Regisseur Georg Wilhelm Pabst nach einem Drehbuch von Erich Maria Remarque gedreht.

Auch die 50er-Jahre-Version macht sofort klar, dass sie auf „Berichten und historischen Quellen“ basiert: dem 1950 erschienenen Buch In zehn Tagen kommt der Tod. Augenzeugen berichten über das Ende Hitlers von dem Richter Michael Musmanno, der bei den Nürnberger Prozessen mitgearbeitet hatte, sowie den Erinnerungen der omnipräsenten Traudl Junge, die als Beraterin zur Seite stand. Trotz etwas dünnerer Materiallage als beim Untergang zeigt Pabst viele Szenen rund um Hitler und seine Entourage im Bunker, die auch bei Eichinger/Hirschbiegel zentral sind.

Erfunden ist der Hauptmann der Wehrmacht Wüst (Oskar Werner), der in den „Führerbunker“ geschickt wird, um für seine 9. Armee um Verstärkung zu bitten, und der den Geist Stauffenbergs mitbringt. „Noch immer 20. Juli?“, fragt er spöttisch, als er beim Betreten des Bunkers seine Waffen abgeben soll. Als er nach langem Warten schließlich zu Hitler vorgelassen wird, versucht er, ihn zu erwürgen. Dabei wird er angeschossen und gibt, auf dem Sterbebett, seinem Bruder und einem Volkssturmjungen noch die Borchert-eske Botschaft mit: „Sag nie wieder jawohl!“

Dazwischen zeigt Der Letzte Akt Albin Skoda als Hitler im Gespräch mit Friedrich dem Großen, bei der Hochzeit mit Eva Braun und so weiter. Pabst porträtiert die Wehrmachtsführung als feige Untertanen, die selbst zum wirrsten Führerbefehl noch „jawohl!“ sagen, und zeigt das Schunkeln auf dem Vulkan in der Kantine. Die Gesellschaft drinnen wird immer wieder mit jener draußen konterkariert, wo die Bevölkerung unter dem Irrsinn im Bunker zu leiden hat.

Der Bunker ist in der 50er-Jahre-Version ein realistisch gezeichnetes, funktionales Labyrinth, wird aber zugleich stets von den expressionistischen Halbschatten beherrscht, die Pabst aus seinen früheren Filmen der Weimarer Republik mitgebracht hat. Analog dazu ist Hitler ein kleinbürgerlicher und auffällig kleiner Mann, der zwischen Sturheit, Angst und Wutausbrüchen schwankt. Wir sehen einen routinierten Schauspieler in einer Hitler-Rolle, tomanisches Schreien inklusive.

Der Letzte Akt ist ein Film mit Botschaft: Eine wahnsinnige Elite hat ein ganzes Land zerstört, die Mehrheit der Bevölkerung gehört zu den Opfern. Auch die tatsächlichen Opfer der NS-Gesellschaft benennt er: In einer kurzen Szene gibt Himmler noch einmal Anweisungen zur Räumung der Konzentrationslager: „Von den 50.000 Häftlingen werden höchstens 10.000 überleben.“ Und der Appell gegen den Kadavergehorsam musste während der Wiederbewaffnungsdebatte auch als klare Position verstanden werden.

All dies machte den Film in Deutschland – natürlich – zu einem Flop. Heute illustriert seine Haltung, was Hirschbiegel und Eichinger mit dem Untergang eigentlich bezwecken, indem sie Entschuldungserzählungen in den Stand der Wahrheit erheben. Da wird auch schon mal der SS-Arzt Schenck, der im KZ Mauthausen Menschenversuche durchführte, zum Engel der leidenden Berliner, und von KZ-Gefangenen redet sowieso niemand – man wusste ja von nichts.

Dass der 50er-Jahre-Film mit der erfundenen Geschichte vom guten Wehrmachtssoldaten heutzutage die NS-Gesellschaft und die deutsche Nachkriegszeit klarer illustriert als der erfolgreiche aktuelle Umwertungsversuch, macht Der letzte Akt zu einem entscheidenden Debattenbeitrag. Der Untergang ist dagegen nur der vorerst letzte Akt in einer deutschen Familienaufstellung.

Abaton und Studio, Termine s. Seite III