Begeisterung bei den kleinen Bossen

Alle Unternehmer machen Front gegen den Mindestlohn? Mitnichten. Arbeitgeberchef Dieter Hundt erntet Widerspruch

Es gibt sie: Arbeitgeber, die begeistert sind über das geplante Entsendegesetz. „Wir sind sehr froh“, heißt es bei den Gebäudereinigern. „Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen“, sagt die Sprecherin des Innungsverbandes. Denn der Lohnanteil macht in der Branche 80 Prozent vom Endpreis aus. Da liegt es für den Einzelbetrieb nah, sich durch Billigarbeiter einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen. Doch die Verlockung ist gefährlich: „Wenn das Lohndumping erst mal anfängt, ist es nicht zu stoppen“, erkennen auch die Arbeitgeber.

Also gibt es bei den Reinigungshandwerkern längst einen einheitlichen Bundestarif, der für alle deutschen Betriebe gilt. Im Fachdeutsch: Er wurde vom Bundeswirtschaftsminister für allgemein verbindlich erklärt. 720.000 Beschäftigte hat die Branche; im Westen verdienen sie 7,87 und im Osten 6,36 Euro pro Stunde.

Diese traute Übersichtlichkeit ist bisher durch die Ostkonkurrenz nicht gefährdet; noch gilt für die Gebäudereiniger eine EU-Sonderregelung, die die Freizügigkeit bei Dienstleistungen einschränkt. Doch sie könnte schon im nächsten Jahr auslaufen – daher ist die Branche nun erleichtert, dass das Entsendegesetz Klarheit schafft. Die Sorge vor der östlichen Billigkonkurrenz ist derart groß, dass die Reinigerinnung sogar eine ganz radikale Forderung unterstützt: „Wir würden auch einen gesetzlichen Mindestlohn akzeptieren.“

Weniger begeistert über das geplante Entsendegesetz ist der Verband der Fleischwirtschaft: „Das wird ziemlich schwierig.“ Dabei hat man durchaus „ein großes Problem“ damit, dass in den Schlachthöfen zunehmend östliche Billiglöhner für etwa zwei Euro pro Stunde schuften. Denn die Verunsicherung in den Betrieben nimmt zu, wann die „Grauzone“ des Rechts in eindeutige Illegalität umschlägt. „Inzwischen lassen sich viele Firmen freiwillig von der Berufsgenossenschaft prüfen“, hat der Verband festgestellt.

Dennoch fühlt man sich vom geplanten Entsendegesetz überfordert: „Bisher haben wir uns nie um Arbeits- und Sozialrecht gekümmert.“ Man versteht sich gar nicht als Arbeitgeberverband und hat auch noch nie einen Tarifvertrag ausgehandelt, den man nun via Entsendegesetz zum Maßstab machen könnte. Stattdessen konzentrierte man sich auf das Lebensmittelrecht und die Hygiene. So sieht es auch die Satzung vor. „Vielleicht wäre es am besten, einfach einen neuen Verband zu gründen“, seufzt Hauptgeschäftsführerin Heike Harstick. „Aber das dauert alles Monate.“ Das habe man Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auch mitgeteilt.

Ein Verband hat schon ausgedehnte Erfahrungen mit dem Entsendegesetz: das Bauhauptgewerbe. Dort gilt es seit 1997. Inzwischen werden im Westen in der entscheidenden Lohngruppe 12,47 Euro (10,01 Ost) gezahlt. Die Arbeitgeber sind sicher, dass dadurch eine „massive Insolvenzwelle abgewendet“ wurde. Ohne Mindestlohn, so die Bauarbeitgeber, wären 250.000 Jobs gefährdet. Denn nie hätte man mit jenen 1,45 Euro pro Stunde konkurrieren können, die in Ostpolen üblich sind.

Doch trotz dieser Begeisterung ist die Baubranche skeptisch, ob ein erweitertes Entsendegesetz auch die nachgelagerten Gewerke schützt – wie etwa die Fliesenleger. Gilt doch weiterhin: „Hier darf sich jeder als Selbstständiger niederlassen.“ Stattdessen hofft das Baugewerbe, dass die Handwerkskammern aktiv werden. „Sie müssen endlich kontrollieren, ob sich die Fliesenleger aus Polen tatsächlich hier niederlassen“, forderte ein Sprecher. „Nur ein Briefkasten reicht nicht.“

Ganz anders als die betroffenen Branchen agiert der Bundesverband der Arbeitgeber; Präsident Dieter Hundt warnte gestern eindringlich vor dem Entsendegesetz. Stichworte: Die Schwarzarbeit würde zunehmen, die Rechtsunsicherheit noch steigen und Jobs ins Ausland abwandern. Die Gebäudereiniger widersprechen: „Natürlich gibt es Schwarzarbeit zu Billiglöhnen“, sagt eine Sprecherin. „Aber wir sind dagegen, diesen Zustand auch noch offiziell festzuschreiben, indem man auf ein Entsendegesetz verzichtet.“ ULRIKE HERRMANN