mindestlohn
: Fatale Arbeitsteilung

Die Bundesregierung handelt. Ausländer auf dem hiesigen Arbeitsmarkt sollen teurer werden. Als ob das Referendum über die EU-Verfassung nicht in Frankreich, sondern in Deutschland anstünde, will Rot-Grün der Bevölkerung die Angst vor den lohndrückenden Ostarbeitern nehmen. In einem Atemzug geht es per Entsendegesetz gegen die legalen Billigarbeiter und per Razzia gegen die illegalen. Diese kriminell organisierten Scheinselbständigen müssen zur Begründung herhalten, den Dienstleistern aus den neuen EU-Ländern die Kostenvorteile zu nehmen. Man darf allerdings gespannt sein, welche Argumente den deutschen Arbeitsplatzschützern als Nächstes einfallen, um angebliche und echte Wettbewerbsvorteile der legalen Ausländerarbeit zu eliminieren.

KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Die Sachfragen und ihre politische Funktion sind sorgfältig zu trennen. Als Botschaft an die Bevölkerung bringt dieser Protektionismus hohe politische Kosten mit sich. Er bedeutet eine fatale Arbeitsteilung, nach der das Schlechte aus Europa kommt und den Schutz davor die nationale Regierung garantiert.

Doch das Argument, Brüssel sorge für das böse Liberale, Berlin für das gute Soziale, ist verlogen. Zehntausende deutscher Arbeitsplätze bestehen allein dadurch, dass die Erweiterungsländer viel mehr Waren aus Deutschland einführen, als sie hierher exportieren. Der nationale Blick, sei es ein rechter, kapitalismusfreundlicher oder ein linker, kapitalismuskritischer, führt immer dazu, Wohlstandsverluste im ärmeren Ausland zu ignorieren.

Von Frankreich ausgehend, hat in den letzten Wochen in Deutschland die Kritik an der EU-Verfassung zugenommen. Eine Beschwichtigung, die hierzulande auf nationale Korrekturen an der EU-Integration setzt, wird scheitern, weil sie die Kritiker im Kern bestätigt.

Die Verfassung verdient Unterstützung, denn sie begreift das Soziale als grenzüberschreitende, europäische Aufgabe. Dies zu vermitteln ist die Aufgabe, die jede der 25 Mitgliedsregierungen zu leisten hat, um eine Zustimmung zur EU-Verfassung in Frankreich und in den eigenen Ländern zu erreichen. Doch kaum fängt Schröder mit seinen Reparaturen an, drohen Landespolitiker, die der Verfassung zustimmen müssen, mit Obstruktion im Bundesrat. Der Kanzler wird die EU-Verfassung im Mai kaum noch auf eine Weise durchs Parlament bringen können, die als Ermunterung in Richtung Frankreich taugt.