Die Ausgebuddelten von Warburg

Im Landesmuseum Herne wird heute ein Forschungslabor eröffnet, in dem Besucher archäologische Methoden selbst ausprobieren können. 480.000 Euro haben Land und LWL dafür investiert

VON ULLA JASPER

Schon der Eintritt in das Westfälische Museum für Archäologie in Herne sorgt bei den meisten Besuchern für Erstaunen: Nicht im Erdgeschoss sind die bis zu 250.000 Jahre alten Exponate ausgestellt, sondern in rund acht Metern Tiefe. Eine steile, lange Treppe führt die Gäste gleich hinter dem Eingang hinab ins Unterirdische, in den Keller. Der Besucher taucht gleichsam ein in die Grabungslandschaft der Archäologen: Der Ausstellungsort der Exponate ist wie ein Fundort inszeniert.

Auf einem rund 200 Meter langen Holzsteg wandert der Ausstellungsbesucher durch die Dauerausstellung zur archäologischen Geschichte Nordrhein-Westfalens, vorbei an einem Faustkeil aus der letzten Eiszeit oder an Bronzeschmuck aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus. Fernrohre und Fenster erlauben abschweifende Blicke in Grabungsfunde anderer Regionen und Länder. Zweisprachige Beschreibungen der Exponate, in Deutsch und Englisch, unterstreichen den selbst gestellten Anspruch der Museumsmacher: Das Herner Landesmuseum soll ein „Markstein der archäologischen Ausstellungen“ sein, keine Provinzschau, erhofft sich Karl Teppe, der Kulturdezernent des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), dem Träger des Museums. Und der Erfolg der Exhibition gibt den Ausstellungsmachern recht: 160.000 Gäste haben das Museum in den vergangenen Jahren bereits besucht.

Vermutlich werden viele hinzukommen, denn heute wird offiziell das zweite Standbein des Museums eröffnet: ein „Forschungslabor“ für Jedermann. Klinisch-grell ausgeleuchtet bricht es mit dem Grabungscharakter der Hauptausstellung und vermittelt den Eindruck, in einem echten Labor zu stehen. 480.000 Euro haben das Land NRW und der Landschaftsverband zusammen dafür aufgebracht. In einem 140 Quadratmeter großen Raum werden an 14 Stationen naturwissenschaftliche Methoden vorgestellt, die Archäologen anwenden, um ihre Funde genauer zu analysieren und einzuordnen. Das Besondere daran: alle Stationen sind interaktiv gestaltet, Erwachsene und Kinder können die Methoden gleichermaßen selbst ausprobieren und nachvollziehen. „Denn Ausgraben ist ja längst nicht unsere einzige Aufgabe: Nach der Ausgrabung beginnt am Schreibtisch und im Labor die meist sehr viel aufwändigere Arbeit“, sagt Gabriele Isenberg, die LWL-Chefarchäologin. Erst durch die genaue Analyse der Spuren, die auf der Fundstelle gesichert werden, könne man das historische Geschehen rekonstruieren.

Für das „Labor“ wurde der „Fall Warburg“ nachgestellt: Zwischen 1986 und 1993 waren dort, im Kreis Höxter, bei Bauarbeiten Teile menschlicher Skelette gefunden worden – Überreste fast fünftausend Jahre alter Steingräber. Diese Skelettteile finden sich nun, umgeben von Erde, mitten im „Labor“. Sie symbolisieren die Ausgangssituation der Forscher, die eine Menge Fragen aufwirft: Handelt es sich tatsächlich um menschliche Knochen, wie alt sind sie, woran ist der Mensch gestorben?

Wie in einem Krimi sollen die „Besucherforscher“ Antworten auf diese Fragen finden. Die Hilfsmittel: archäologische Methoden von der Stratigraphie bis hin zur DNS-Analyse. „Was man im Biologieunterricht verpasst hat, kann man hier nachlernen“, macht Museumsleiterin Barbara Rüschoff-Thale auch denen Mut, die von Bio und Chemie keine Ahnung haben.

Station für Station arbeiten sich die Hobbyarchäologen zur Lösung des Falls vor: Luftbilder, Knochensplitter, Blütenpollen – selbst kleinste Spuren helfen, die Funde einzuordnen und den 5.000 Jahre alten „Durchschnitts-Warburger“, so Rüschoff-Thale, zu rekonstruieren. Für die Kriminologen endet der Fall allerdings mit einer Enttäuschung: „Ermordet wurde unser Warburger wohl nicht“, so die Museumsleiterin.