Es wird nicht einfacher

Seit 25 Jahren gibt es den Frauennotruf in Deutschland. Weil Hilfe vor prügelnden Männern auch finanziert sein will, hofft Ursula Schele vom Frauennotruf Kiel, dass vieles doch beim Alten bleibt

taz: Es heißt hin und wieder, die Männer kämen mit ihrer veränderten Rolle in der Gesellschaft und dem wachsenden Selbstbewusstsein von Frauen nicht klar und würden darum häufiger Gewalt ausüben. Ist das so?

Ursula Schele: Nein – rein statistisch ist die Zahl der Taten nicht gewachsen. Häusliche Gewalt wird allerdings heute anders wahrgenommen – auch die Gesetze haben sich geändert: Früher galten die „Züchtigung“ von Ehefrauen oder Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftaten. Verändert hat sich aber die Art der Gewalt: Es wird nicht nur geprügelt, sondern es werden Waffen eingesetzt, es wird nicht nur vergewaltigt, sondern gefoltert. Da haben vielleicht die Medien Schuld, die zur Enthemmung beitragen.

Gibt es Zeiten, zu denen sich Gewalttaten häufen? Etwa nach einem Fußballspiel – die Mannschaft hat verloren, der Frust muss raus?

Die meisten Taten passieren abends, nachts und an Wochenenden. Alkohol und Frust sind sicher häufig Auslöser. Die Täter sind ganz durchschnittliche Männer – ihr Motiv ist ein übersteigertes Macht- und Kontrollbedürfnis.

In Schleswig-Holstein gibt es seit zwei Jahren das Wegweisungsgesetz, das besagt, dass der prügelnde Mann das Haus verlassen muss statt wie früher die geprügelte Frau. Hat sich das bewährt?

Auf jeden Fall. Zur Wegweisung gehört auch eine Beratung – damit erreichen wir auch Frauen, die sonst nicht zur Beratung gehen würden. Und die Männer erhalten oft die Auflage, ein Anti-Gewalt-Training zu machen, das kann ihr Verhalten langfristig ändern.

Schleswig-Holstein war Vorreiter – gibt es das Modell inzwischen bundesweit?

Das ist auch ein Thema unserer jetzigen Tagung. In den meisten Ländern ist das Verfahren entsprechend den jeweiligen Landesgesetzen umgesetzt worden.

Wo hapert es in der Arbeit der Frauennotrufe?

An den Finanzen – das ist bundesweit ein Problem. Die Zahl der Anrufe steigt ständig, doch auf die Finanzierung hat das keinen Einfluss. Es ist sehr schwierig, sich um Gewaltopfer zu kümmern, wenn man parallel ständig um das Überleben seiner Einrichtung kämpfen muss. Ein weiteres Problem ist, dass Frauen in Not sich oft im Dschungel der Beratungsstellen nicht zurechtfinden – das haben Studien ergeben. Daher haben wir in Schleswig- Holstein die „Helpline“ eingerichtet: Die Nummer 0170/99911444 ist im ganzen Land zu erreichen. Wir wollen besprechen, ob wir eine bundesweit gültige Nummer einrichten können, von der die Frauen dann zu den verschiedenen lokalen Einrichtungen weitergeleitet werden.

Stichwort Finanzen: In Schleswig-Holstein gibt es eine neue Regierung, deren größere Partei – wie Ministerin Gitta Trauernicht sagt – sogar Probleme mit dem Wort Frauenhaus hat. Fürchten Sie Probleme?

Das Thema Frauen bleibt in den Händen einer SPD-Ministerin, nämlich Ute Erdsiek-Rave, daher hoffen wir, dass vieles beim Alten bleibt. Die Frauenhäuser selbst sind in Schleswig-Holstein, anders als in anderen Ländern, gesetzlich verankert. Aber generell fürchten wir schon Verschlechterungen – die gab es auch in anderen Bundesländern nach einem Regierungswechsel. Es wird nicht einfacher werden, das ist klar. Es herrscht deutlich ein anderer Ton.

Was wäre denn ein Wunsch zum 25. Geburtstag der Notrufe?

Beratung und Hilfe für Frauen sollte eine Pflichtaufgabe werden, die sich nicht einfach wegstreichen lässt – es ist eigentlich eine Schande, dass das nach 25 Jahren noch nicht geschehen ist. Eine Vertreterin des Bundesfrauenministeriums ist bei der Tagung dabei, wir werden auch darüber sprechen.

INTERVIEW: ESTHER GEIßLINGER

Ursula Schele (50) ist im Frauennotruf Kiel zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildung. Sie ist seit 25 Jahren im Bereich der Notrufarbeit tätig.