berliner szenen Zwei Autoren

Drei Minuten

Die Einladung klang gut: ein Abendessen mit A., einem berühmten Autor aus der Ukraine, der mit seinem neuen Roman auch in Westeuropa und speziell in Deutschland im Begriff ist, ein Literaturgroßer zu werden. Und vielversprechend begann auch der Abend, denn nicht nur A. war gekommen, sondern Z. gleich mit, ein junger, in Deutschland eher unbekannter Autor aus Ungarn, aber ein Shootingstar zwischen Belgrad, Tirana und Kiew. Z. hatte gleich eine schöne Eingebung, als er, auf dem Balkon der Friedrichshainer Wohnung stehend, den Himmel über Berlin seines schönen Lichts wegen in höchsten Tönen lobte.

Z. aber hatte viele schöne Eingebungen. Poeten waren für ihn „gefallene Engel“, er begeisterte sich für fußballernde Schriftsteller, die als notorische Individualisten und Narzissten plötzlich als Kollektiv funktionieren müssen, erzählte von vielen gebildeten Ungarn, die ihr Glück im Ausland versuchten, von seinem Großvater, der die zwei Weltkriege mitgemacht hatte und einen davon als Kommandant eines ukrainischen Städtchens, von seiner sich nie auf eine Ideologie einlassenden Mutter, einer typischen Ungarin, von seiner dreizehnjährigen Tochter, die gerade an ihrer Autobiografie arbeite.

Sehr interessant, das alles, doch nicht zum Zuge kam sein Gegenüber, A., der nur in Andeutungen aus seinem Leben berichten konnte. A. blieb höflich. Einmal aber, er war gerade nach ukrainischen Reaktionen auf Papsttod und Ratzinger gefragt worden, hob er rabiat die Hand, streckte drei Finger und sagte zu Z.: „Jetzt bin ich dran, drei Minuten, ja?“. Doch kaum hatte A. zwei, drei Sätze gesagt, zeigte Z. auf die Uhr: „Die Zeit ist um“, und begann seinerseits, die Sache mit den Päpsten aus ungarischer Sicht zu klären. GERRIT BARTELS