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HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMIKlamaukfreie Camouflage

Viel Beachtung erntete jüngst der exzeptionelle Film „The Artist“ des französischen Regisseurs Michel Hazanavicius, durch den anstehenden Oscar-Rummel wird das noch weitergehen. Der BR ist nun so freundlich, den werkhistorischen Kontext zu beleuchten.

Im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit für das französische Fernsehen hatte Hazanavicius TV- und Kinoklassiker in Form von Montagefilmen und Persiflagen liebevoll gewürdigt. 2006 setzte er diese Arbeit in großem Stil fort und schuf eine nie klamaukige Parodie auf europäische Agentenkrimis der 60er Jahre. Der deutsche Titel „OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“ verweist auf den britischen Mordbeauftragten James Bond. Und tatsächlich zitiert Jean Dujardin – wie in „The Artist“ Hauptdarsteller – gewisse Züge des jungen Sean Connery, jedoch: Der Superspion OSS 117 (alias Hubert Bonisseur de la Bath) trat als literarische Figur bereits 1949 auf, sein britischer Kollege Bond folgte erst 1953. Im Kino folgte der erste „OSS 117“-Film 1957, damals noch in Schwarz-Weiß und mit dem späteren Fassbinder-Schauspieler Ivan Desny. Wie 007 sollte auch OSS 117 noch diverse Inkarnationen erleben.

Hazanavicius setzt an den Anfang seines Films eine monochrome Hommage an Desny und die Handschrift des damaligen Regisseurs Jean Sacha. Eigentlich aber zielt er auf Regisseur André Hunebelle, der 1963 den ersten „OSS 117“-Farbfilm betreute und hierzulande durch die „Fantomas“-Reihe bekannt ist. Wenn Jean Dujardin als OSS 117 so geschmeidig wie anmaßend durch Ägypten pirouettiert, beauftragt, dem Nahen Osten den Frieden zu bringen, gelingt Michel Hazanavicius eine verblüffende Anverwandlung der 60er-Jahre-Ästhetik.

Da wurden nicht einfach ein paar passende Requisiten hingestellt, vielmehr stimmt von der Farbcharakteristik über die Dekors und auch Exterieurs bis hin zum Gestus der Schauspieler so gut wie alles. Sehr vergnüglich.

„OSS 117 – Der Spion, der sich liebte“; Sa., BR, 22.10 Uhr

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