KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Lasst die Hosen runter!

Wer Kindern die Selbstbestimmung über ihr eigenes Geschlecht verweigert, leidet unter Kontrollzwang

Ende Januar hat Heide Oestreich in der taz einen Artikel veröffentlicht, der mich sehr wütend und traurig zugleich gemacht hat. Sie schrieb über Alex, ein elfjähriges Mädchen, das rechtlich gesehen ein Junge ist. Sie schrieb, dass es diesem Mädchen so schwer gemacht wird, es selbst zu sein. Weil der Vater nicht akzeptieren will, dass er keinen Sohn, sondern eine Tochter hat. Weil das Jugendamt dieses Mädchen in die Psychiatrie zwangseinweisen möchte. Weil ein Sexualmediziner der Berliner Charité tatsächlich glaubt, die Pubertät könnte aus Alex doch noch einen Jungen machen.

Es geht dabei einerseits um das jederzeitige Recht einer Person auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Und andererseits um den Anspruch des Umfeldes – also der Familie, Schule, der Gesellschaft insgesamt –, genau diese Entfaltung beschränken und lenken zu dürfen. Alex wird daher in diesem Fall das Recht abgesprochen, ein Mädchen zu sein. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht 1978 entschieden, dass Transsexuelle ein Recht darauf haben, dass ihr selbst erklärtes Geschlecht rechtlich anerkannt wird. Die Frage hier lautet nun: Ab welchem Alter wird Transsexualität beziehungsweise das selbst erklärte Geschlecht anerkannt?

Zum Vergleich: Ab dem 7. Geburtstag sind Kinder beschränkt geschäftsfähig. Ab dem 12. Geburtstag dürfen die Eltern die Religion eines Kindes nicht mehr gegen seinen Willen ändern, ab dem 14. Geburtstag erhalten Jugendliche dann die uneingeschränkte Religionsmündigkeit und können wegen Straftaten verurteilt werden. Und im Schützenverein dürfen Kinder mit Sondergenehmigung sogar schon ab 10 Jahren schießen. Aber über das eigene Geschlecht bestimmen geht erst ab 18? Muss sich eine Person bis dahin gefallen lassen, dass andere ihr ein Geschlecht aufzwingen und Medikamente zum Hinauszögern der Pubertät verweigern?

Das ist eine Frechheit! Und so richtig perfide wird es, wenn damit argumentiert wird, ein Trans*Mädchen könnte ja in Wahrheit schwul und ein Trans* Junge lesbisch sein. Etwa noch nichts von dem Unterschied zwischen sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität gehört? Zudem sind Pubertätshemmer ja gerade dafür gedacht, der_m Betroffenen noch etwas Zeit zu geben, sich auch ganz sicher zu sein.

Aber wer über ein, zwei oder gar drei Jahre hinweg äußert, nicht ihrem_seinem rechtlichen Geschlecht anzugehören, die_der leidet am Ende weniger unter „Anderssein“ als unter der mangelnden Anerkennung durch die Umwelt. Die Verantwortlichen sollten endlich mal selber die Hosen runterlassen und nicht länger ihre geheuchelte Sorge um das Wohlergehen von Trans*Leuten vorschieben, die eigentlich nichts anderes ist als ein Feigenblatt für ihren Kontrollzwang und ihre Feindlichkeit gegenüber einer selbstbestimmten Lebensführung!

Die Autorin studiert Geschichte in Uppsala Foto: privat