Gauweiler raubt Europa nicht

Karlsruhe hat die Klage des CSU-Politikers gegen die EU-Verfassung abgewehrt. Begründung: Klage kommt zu früh. EU-Kommission: kein Plan B im Falle eines „Non“

FREIBURG/BRÜSSEL taz/afp/ap Peter Gauweiler soll im Juni erneut Verfassungsbeschwerde einlegen. Mit diesem Bescheid hat das Bundesverfassungsgericht gestern die Klagen des CSU-Abgeordneten, der die EU-Verfassung verhindern will, abgelehnt. Gauweiler glaubt, dass mit der geplanten EU-Verfassung der deutsche Staat faktisch abgeschafft werde. Er wollte die für den 12. Mai geplante Zustimmung des Bundestags verhindern und eine Volksabstimmung einfordern.

Karlsruhe wies nun aber alle Klagen als „unzulässig“ zurück. Gauweilers Rechte als Abgeordneter seien nicht verletzt, denn letztlich erfülle der Bundestag nur seine Pflicht, wenn er den Verfassungsvertrag berate und darüber abstimme. Auch Gauweilers Rechte als Bürger seien dadurch noch nicht beeinträchtigt, sondern erst durch das deutsche Zustimmungsgesetz. Gauweiler komme also zu früh. Karlsruhe legt ihm deshalb nahe, nach dem Beschluss in Bundestag und Bundesrat erneut zu klagen. Der Bundespräsident könne dann auf die Unterzeichnung des Zustimmungsgesetzes verzichten, bis Karlsruhe Gauweilers Klage geprüft hat. Die Richter verweisen auf die Klagen gegen den Maastricht-Vertrag 1992, bei denen ähnlich vorgegangen wurde (Az. 2 BvR 636/05).

Unterdessen griff Bundeskanzler Gerhard Schröder Bayerns Regierung scharf an. Mit ihrer Forderung nach Aufschub der für den 27. Mai geplanten Abstimmung im Bundesrat beweise das Münchner Kabinett „Provinzialität in besonderer Weise“.

Für den Fall eines Scheiterns des EU-Verfassungsreferendums in Frankreich Ende Mai gibt es bei der EU-Kommission keine Planungen. Dies habe die Behörde von Anfang an klargestellt, bekräftigte ein Kommissionssprecher gestern in Brüssel. Damit wies er anders lautende Interpretationen von Interviews mit Vizepräsident Franco Frattini zurück. Frattini hatte auf die Möglichkeit hingewiesen, dass auch ohne Verfassung ein Teil der EU-Staaten mit der „verstärkten Zusammenarbeit“ weitere Reformschritte gehen könnten. Die verstärkte Kooperation sei Bestandteil des bestehenden EU-Vertragswerks, in dem dafür klare Regeln vorgegeben würden, und kein „Plan B“ für den Fall eines Neins der Franzosen, so der Sprecher. EU-Kommissar Günter Verheugen sagte dem Münchner Merkur, ein Scheitern der Verfassung sei für ihn keine Katastrophe. „Es wäre nicht das Ende der Welt.“ Die europäische Integration sei nie gradlinig verlaufen.

CHRISTIAN RATH

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