Zeitplan gerettet

Der Kanzler macht den Ländern weitere Zugeständnisse – und rettet damit das Timing für die EU-Verfassung

FREIBURG taz ■ Deutschland wird nun doch vorangehen: Am 27. Mai, zwei Tage vor dem Referendum in Frankreich, will der Bundesrat der umstrittenen EU-Verfassung zustimmen. Das sagten gestern die Länder zu, nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder ihnen am Vorabend Zugeständnisse bei den Mitwirkungsrechten gemacht hatte. Im Bundestag wird die Verfassung bereits am 12. Mai behandelt.

Auch bisher werden die Länder über alle geplanten EU-Richtlinien und -Verordnungen schon frühzeitig informiert und können dazu Stellung nehmen. Wenn es um typische Länderkompetenzen wie Schule, Medien und Polizei geht, muss die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel sogar die Länderposition vertreten.

Künftig, das hat der Kanzler nun zugestanden, soll dieser „maßgebliche“ Einfluss der Länder noch früher einsetzen. Schon wenn die Kommission vorbereitende Studien – so genannte „Grün“- oder „Weißbücher“ – mit den EU-Staaten diskutiert, muss Berlin die Position der Länder nach Brüssel melden, soweit es um Länderthemen geht.

Außerdem werden die Bundesländer künftig an der Wahl der beiden deutschen Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) und am Europäischen Gericht Erster Instanz (EuG) beteiligt. Diese sollen im Richterwahlausschuss gewählt werden, wie etwa Richter am Bundesgerichtshof. Bisher wurden deutsche EuGH-Richter freihand von der Bundesregierung bestimmt.

Schon im Vorfeld des Gipfeltreffens, an dem für die Länder die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Günther Oettinger, Kurt Beck und Klaus Wowereit teilnahmen, hatte der Bund den Landeschefs Zugeständnisse gemacht. Nicht verwunderlich, dass Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gestern verkündete: „Alle Seiten sind zufrieden.“

Die Länder haben europapolitisch für sich schon so viel erreicht, dass sich Bayerns Ministerpräsident Stoiber im Gespräch mit dem Kanzler sogar für die Rechte des Bundestags stark machen konnte: Auch das Parlament, dessen Stellungnahmen bisher laut Grundgesetz nur zu „berücksichtigen“ sind, solle in der Europapolitik mehr Einfluss erhalten. Doch hier winkte der Kanzler ab. Er kannte die Position schon aus dem Bundestag, wo ein entsprechender Antrag der Unionsfraktion vorliegt. Stoiber kündigte gestern an, die Union werde den Vorschlag dann eben nach einem Wahlsieg umsetzen.

Bisher allerdings macht der Bundestag sogar von seinen bestehenden Rechten zu wenig Gebrauch. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts zeigten sich neulich entsetzt, als sie erfuhren, wie wenig sich die Abgeordneten bemüht hatten, auf die Aushandlung des umstrittenen Europäischen Haftbefehls einzuwirken. Gut möglich, dass Karlsruhe den Abgeordneten aufgibt, die EU-Verhandlungen der Regierung künftig engagierter zu begleiten. CHRISTIAN RATH