Eine Liebe in Bamako

Das blinde Sängerpaar Amadou & Mariam ist in Westafrika legendär. Manu Chao hat ihr neues Album produziert. Nun winkt der Erfolg in Europa

VON MAX ANNAS
UND DOROTHEE PLASS

„Die Liebe findet man auf allen unseren Alben“, sagt Amadou Bagayoko über das dominierende Thema, dass sich durch seine Karriere zieht.

Über Liebe singen ja viele, und die Geschichte der populären Musik ist voll von solchen Beiträgen. Aber bei dem blinden Sängerpaar Amadou und seiner Partnerin und Gattin Mariam Doumbia aus der malischen Hauptstadt Bamako liegen die Dinge anders: Sie singen über sich und ihre Liebe zueinander, und dies seit nunmehr fast 30 Jahren. Das macht es auch für Zyniker nicht schwer, sich von „couple aveugle du Mali“, dem blinden Paar aus Mali, wirklich rühren zu lassen.

Ein Liebeslied eröffnet auch ihre neue CD „Dimanche à Bamako“, das vierte internationale Album von Amadou & Mariam. „M’bife“ ist eine kleine, sehr leise Ballade: Akustische und E-Gitarre, ein paar Töne im Hintergrund, und dazu singt Mariam die Zeilen: „lass mich nicht allein, bleib bei mir, verletzte mich nicht, mach mir keine Probleme, umarme mich, ich liebe dich.“

Produzent und Mitmusiker von „Dimanche à Bamako“ ist Manu Chao, und das neue Album unterscheidet sich daher stark von den drei Vorgängern. Der Sound ist luftiger geworden, eine hypnotischer Faden scheint sich durch das ganze Album zu ziehen, der Einfluss des musikalischen Globetrotters Manu Chao ist deutlich bemerkbar. Der notorische Vergleich ihrer Musik mit dem Blues, eine Krücke für alle, die es sich einfach machen wollen, trifft diesmal ins Leere. „Dimanche à Bamako“ ist ein Stück zeitgenössischer Popmusik mit malischer Färbung.

„Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen Manu Chao und uns“, erklärt Mariam. „Wir haben unsere Songs mitgebracht und er auch. Für einige seiner Stücke bat er uns dann, die Texte zu schreiben – und weil wir ein Paar sind und immer wieder von der Liebe singen, dachten wir auch beim Stück „M’bife“, dass wir andere an dieser Welt der Freude teilhaben lassen können.“ Der Song „M’bife“ hat es gleich in drei verschiedenen Versionen auf das Album geschafft. „Manu hat etwas von seiner Musik dazu beigetragen, und dann habe ich den Text dafür geschrieben“, sagt Amadou, der dazu auf der Bühne den Refrain singt. Mariam streicht ihrem Gatten währenddessen immer wieder übers Haar – eine Geste, die sie noch bei einigen anderen Songs während des Konzerts wiederholt.

In Frankreich sind Amadou & Mariam längst bekannte Stars, schon vor ihrer Zusammenarbeit mit Manu Chao: Bei ihrem Konzert im Pariser Club Le Cigale kurz vor Ostern präsentierten sie sich vor ausverkauftem Saal, die Mehrheit zwischen 20 und 30 Jahren alt – hierzulande noch unvorstellbar für den Auftritt einer afrikanischen Combo. Besonders die neuen Stücke werden enthusiastisch aufgenommen, denn die CD ist in Frankreich schon eine Weile auf dem Markt. Da Amadou & Mariam nicht nur in Bamana singen, sondern gern auch mal ein paar französische Zeilen einflechten oder mal einen Songs ganz in der Kolonialsprache präsentieren, kann das Pariser Publikum sogar einige Zeilen mitsingen. Auch das ist etwas, dass in Deutschland geschehen dürfte.

Auf der Bühne in Paris wird deutlicher als auf der CD, wo die beiden musikalisch standen, als sich Amadou & Mariam 1973 im „Institute des Jeunes Aveugles“, dem Institut für junge Blinde in Bamako trafen. Mariam kommt aus der klassischen Schule des Preisgesangs und sang schon früh auf traditionellen Festen: Sie bleibt eher cool auf der Bühne, lässt sich aber durchaus auch mal auf ein Tänzchen mit einem begeisterten Fan ein. Amadou dagegen spart auf seiner Gitarre nicht mit Tonkaskaden, die an John Lee Hooker oder Jimi Hendrix erinnern. Als ehemaliges Mitglied der legendären „Ambassadeurs du Motel“, einer der bekanntesten Bands Malis, verbiegt er dabei gern mal das Rückgrat. Live klingen die Songs denn auch weitaus mehr nach Rockmusik als auf ihren Tonträgern.

Mitte der Achtzigerjahre, da waren sie schon einige Jahre als Paar und Duo zusammen, entschieden sich Amadou & Mariam für die Karriere: In Bamako waren die Möglichkeiten begrenzt, also gingen sie ins ivorische Abidjan, wo sie fünf Kassetten aufnahmen. Nach ihrer Rückkehr nach Mali 1993 waren sie dort gefeierte Stars – auch, weil sie es trotz ihres Handicaps geschafft hatten.

Bis zum ihrer ersten in Frankreich veröffentlichten Album „Sou Ni Tilé“ 1998 dauerte es dann aber noch weitere Jahre. Die Zusammenarbeit mit Manu Chao wird ihrer Karriere nun sicher einen weiteren Schub geben: Während einer Reise durch Deutschland vor einigen Wochen interessierten sich plötzlich Zeitungen und Radiosender für sie, die noch vor einem Jahr nicht im Traum daran gedacht hätten, sich mit einer Popmusik abzugeben, deren Wurzeln tief in der Bambara-Kultur stecken.

Das Wundervolle an den beiden und auch an „Dimanche à Bamako“ ist jedoch, dass sich kein gesprochener, kein gesungener und kein gespielter Ton so anhört, als solle er ihre internationale Karriere beschleunigen. Die Dinge sind einfach ins Wachsen gekommen. Mit Sicherheit auch deshalb, weil Amadou & Mariam so schön über etwas singen, dass uns alle interessiert.