Besser als jede Kritik

Werder Bremen zeigt beim 3:0 gegen Arminia Bielefeld, wie souverän ein schlecht geredetes Team Fußball spielen kann und wie gut dem Kopf ein wenig Philosophie tut

aus Bremen von OKE GÖTTLICH

Wer hat Schuld? Wer macht die Fehler? Im Fußballgeschäft sind es immer die plakativsten Fragestellungen, die für den größten Nonsens sorgen. Vor dem erfolgreichen Spiel gegen Bielefeld, dass Werder souverän mit 3:0 durch Tore von Magnin (43.), Borowski (53.) und Klose (78.) gewinnen konnte, wurden gleich mehrere Sündenböcke durchs Bremer Fußball-Dorf getrieben. Denn der inzwischen entthronte Meister stand auf dem fünften Tabellenplatz und drohte bei anhaltender Erfolglosigkeit aus den Europapokalrängen zu rutschen – bei fünf Punkten Rückstand auf den dritten Platz und vier ausstehenden Spielen.

Im Zentrum der Kritik – als Bock immer gern genommen – Johan Micoud. Der eigenwillige Franzose brächte ja nicht mehr die Leistung wie im Double-Jahr und genieße Sonderrechte im Training lauten die Vorwürfe. Wie viel Schuld Werder-Trainer Thomas Schaaf an der Situation im Bremen trage, fragte die Bild-Zeitung in gewohnter Manier – wohl ahnend, dass ein Fragezeichen im Boulevard häufig das Ausrufezeichen ersetzt. Das Training sei nicht mehr so intensiv wie im Meisterjahr, wurde dem Trainer zum Vorwurf gemacht.

Vielleicht wählte der Beschuldigte aus diesem Grund den eleganten, selbstkritischen Weg über die Medien, um seinen Profis etwas mehr Tatendrang auf dem Trainings- wie auf dem Spielfeld zu vermitteln. „Sicherlich habe ich Fehler gemacht“, erklärt Thomas Schaaf im Interview mit dem kicker. „Vielmehr laste ich mir an, das eine oder andere zu sehr in die Verantwortung der Spieler gelegt zu haben.“ Nur wenigen Trainern gelingt es, mit einer selbstkritisch verkauften Schlagzeile gleichzeitig ein Signal an das Team zu senden, dass es doch schleunigst mehr Verantwortung zu übernehmen habe. „Alle sind vor allen und für alle schuldig“, hätte Schaaf in Anlehnung an den Dichter Fjodor Dostojewski auch sagen können. Aber so weit ist der Fußball noch nicht.

Mit dieser gelungenen Einlassung, einem klärenden Kabinengespräch zwischen Klaus Allofs, Thomas Schaaf und dem Team sowie dem Erfolg über Bielefeld gelang es Werder Bremen die Krise vorzeitig im Keim zu ersticken, auch wenn Klaus Allofs überzeugt ist, dass diese Dinge zeitlich zufällig zusammengefallen wären. „Wenn es immer so einfach wäre, würden wir jede Woche eine Kabinenpredigt halten“, spielte der Geschäftsführer Profifußball die Bewältigung des Kriselchens herunter.

Dass die Kritik dem seit knapp sechs Jahren im Amt befindlichen Schaaf nahe ging, konnte man ihm nicht nur in der Pressekonferenz nach dem Bielefeld-Spiel anmerken, als er schleunigst den Saal verließ, obwohl ihn die Fans in der Ostkurve während der zweiten Halbzeit hochleben ließen. „Thomas Schaaf, Du bist der beste Mann“, skandierten sie zu seinem 44. Geburtstag. Schon vor dem Bielefeld-Spiel stellte er genervt fest, dass eine Stimmung im Verein herrsche, „als würden wir gegen den Abstieg spielen.“

Dem ist nach der starken Leistung – auch von Micoud – gegen die Ostwestfalen nicht mehr so. Nach der Stuttgarter Niederlage in Rostock liegt Bremen noch zwei Punkte hinter dem angestrebten dritten Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champions League-Qualifikationsrunde berechtigt – und wenn Schaaf so weiterdenkt, kann Bremen auch noch Zweiter werden...