der fluch von speyer von RALF SOTSCHECK
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Hexen können Menschen mit Flüchen belegen, das ist bekannt. Im Mittelalter hat man sie dafür verbrannt. Aber ich kann ja nicht eine ganze Stadt, die mir einen Fluch angehext hat, abfackeln.

Es fing damit an, dass ich neulich behauptete, man möchte in Speyer nicht begraben sein. Das war leichtfertig um einer Alliteration willen dahingeschrieben – ein niederer Beweggrund, das gebe ich zu. Mein Freund Klaus-Thomas Mann, der aus Speyer stammt, deutete ominös an, das werde Folgen haben. Ulla, die Buchhändlerin aus Speyer, wurde konkreter: Der Fluch von Speyer werde mich treffen.

Ich war besorgt und bemühte mich um Wiedergutmachung. In meine nächste Kolumne ließ ich in einem Nebensatz einfließen, dass Speyer ein ganz reizender Ort sei. Der Artikel erschien ohne den Satz. Er habe kürzen müssen, behauptete der Redakteur, der vermutlich Speyrer Vorfahren hat. Außerdem sei der Satz zu anbiedernd gewesen. Genau das sollte er auch sein!

Ich schrieb geschwind eine kleine Berichtigung für die Kurzmeldungsspalte, musste aber erfahren, dass es am nächsten Tag aus Layoutgründen gar keine Kurzmeldungen gab. Bei meinem dritten Versuch konnte die ganze Kolumne nicht gedruckt werden, weil ein anderer Autor bereits einen nahezu identischen Text geschrieben hatte. „Das einzig Neue an deinem Text war die Lobhudelei über Speyer“, höhnte der Redakteur.

So nahm das Schicksal seinen Lauf. Vorige Woche war ich unterwegs an die irische Westküste, als mich Klaus-Thomas Mann auf dem Handy anrief. Im selben Moment verlor ich den Auspuff. Da es Nacht war und in Strömen regnete, war das Rohr nicht mehr zu finden. Wenn jetzt ein Motorradfahrer aus Speyer über den Auspuffs stürzt, bin ich verloren, schoss es mir durch den Kopf.

Spätnachts an meinem Ziel angekommen, rief ich erneut Klaus-Thomas an, um ihm mitzuteilen, dass ich die Fahrt trotz des Fluchs heil überstanden habe. Sofort fiel die Heizung aus, die Temperatur im Haus lag bei elf Grad. Ich wollte im Internet herausfinden, was man gegen Flüche unternehmen kann, fand aber zunächst eine E-Mail der Buchhändlerin Ulla. Kaum hatte ich sie geöffnet, da stürzte der Computer ab.

Als ich ihn endlich wieder in Gang bekommen hatte, fand ich eine interessante Website mit Ratschlägen zur Fluchbeseitigung. Ein „Michael aus dem Licht von El Shaddai“ erklärt dort, dass manche Flüche einfach für einen bestimmt sind. „Dann müsstest du das Leid nutzen, um Erleuchtung zu gewinnen, und den Schmerz willkommen heißen wie einen alten Freund“, rät er.

Das wäre mir unangenehm. Vielleicht geht es auch anders. Ich versuche es noch mal mit Anschleimen: Speyer ist das schönste Domdorf der Pfalz. Der Dom ist 1981 zu Recht als das bedeutendste und größte romanische Bauwerk Europas in die Liste der Weltkulturgüter aufgenommen worden. Von allen Kaiserdomen auf der ganzen Welt ist er der kaiserdomste. Und ich verspreche, ein Jahr lang jeden Sonntag Saumagen mit Helmutkohlbeilage zu essen, das Sau- und Magengericht der Speyrer.

So, reicht das jetzt? Könnte der Fluch eventuell aufgehoben werden? Oder ist die Druckerei abgebrannt und diese Kolumne gar nicht erschienen?