PETER UNFRIED NEUE ÖKOS
: Äpfel, die niemand isst

Killerspielzeug, Pizzaservice, verringerte Hirnaktivitäten: So kann es in dieser Familie nicht weitergehen

Aaah, die Macht kommt nach Hause. Gleich macht sie ihren Kontrollgang. Sie wird begeistert sein, wie toll hier der Laden ohne Mutter läuft.

Aha, wenn das hier so still ist, kann das nur heißen, dass Penelope und Adorno seit Stunden vor ihren technischen Geräten müffeln. Die kriegen sie ja inzwischen nicht mal mehr ausgeschaltet, um den Tisch zu decken. Und ihr Vater sitzt wichtig vor seinem Notebook, bis das Essen auf dem Tisch steht.

Hier stehen ja sogar noch die Schnapsgläser von gestern Abend auf dem Wohnzimmertisch. Und die Brotbüchsen liegen ungespült neben der Spüle. Diese Kinder denken, dass sei grandios, dass sie die mit wichtiger Geste in die Küche tragen. Die denken, die Welt sei schon gerettet, bloß weil sie Vegetarier sind. Und ihr Vater hält sich für den Größten, bloß weil er Äpfel ohne Verpackung kauft. Sie sagt ganz vorsichtig: „Nimm doch die Golden Delicious, die mag Adorno viel lieber.“ Und was sagt er? „Nee, die sind verpackt, die nehm ich nicht.“

Jetzt haben sie unverpackte Äpfel, die keiner isst. Dadurch kommt dieser Haushalt keinen Schritt voran. Und überhaupt wird hier ab nächste Woche abwechselnd gekocht. Und wenn der es noch einmal wagt, beim Pizzadienst bestellen zu wollen, dann kriegt sie eine Krise. Die Nummer wird sofort aus dem Telefonverzeichnis gelöscht. Und das mit den Computerspielen muss sich jetzt auch ändern. Wenn junge Männer nur eine Woche am Rechner Killerspiele machen, verringert sich die Hirnaktivität. Stand im Stern, also total seriös.

Mit Adornos Hirnaktivität steht es sowieso nicht zum Besten. Jetzt macht er seit Monaten nichts anderes mehr. Während sie über seinen Mathe-Hausaufgaben brütet. Wenn sie das Thema vorsichtig anspricht, wird er sofort aggressiv. Wie sein Vater. Vielleicht ist es bei ihm ja auch schon zu spät. Und wo ist überhaupt Penelope? Bestimmt bei irgendeiner Freundin, die sie nicht kennt. Wenn sie sagt: Penelope, ich will wissen, wo du bist. Da verdreht die schon die Augen. Und ihr Vater auch. So kann es nicht weitergehen.

Aha, jetzt kommt der Äpfelkäufer in die Küche. Grinst. Hat also einen seiner tollen Witze vorbereitet. Ob sie wisse, dass männliche Gehirne nicht gleichzeitig eine attraktive Frau ansehen und ihr zuhören können. Untersuchung der University of Indiana. Nee, wusste sie nicht.

„Das ist der Grund, warum ich manchmal nicht verstehe, was du mir sagst, Süße.“

Oh, Gott: Soll sie da jetzt etwa lächeln? Aaah, die Macht lächelt. War aber auch ein toller Spruch.

Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber