Mit Schimären gegen Windräder

Die großen Energiekonzerne wollen die Förderung von Energie aus regenerativen Quellen durch eine Umstellung drastisch reduzieren. Zur Begründung greifen sie auf ein altes Angstszenario zurück: Die Versorgungssicherheit sei gefährdet

VON HERMANNUS PFEIFFER
UND NICK REIMER

Alle Lichter gehen aus, wenn die Steckdose streikt. Und die streikt schon bald – sagt zumindest die verantwortliche Energiewirtschaft. „Die Sicherheit der Versorgung mit Energie wird schon bald nicht mehr im gewohnten Maße gewährleistet sein“, lautet das Ergebnis einer Umfrage unter hundert Topmanagern der Strom- und Gasbranche. Mehr als drei Viertel sehen die Versorgungssicherheit ab nächstem Jahr in Frage gestellt.

Als Verursacher dafür gelten den Managern die regenerativen Energiequellen Wind, Sonne und Erdwärme. Die deutsche Energiewirtschaft will deshalb das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durch ein so genanntes Quotenmodell ersetzen. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) bereite eine Kampagne vor, berichtete die Financial Times Deutschland. Auf dem Jahreskongress im Juni soll sie präsentiert werden.

Das energetische Großkapital macht also mal wieder mobil – allerdings mit Schimären: Stromausfälle sind in der Bundesrepublik mit durchschnittlich 15 Minuten pro Jahr ausgesprochen selten. Britische oder französische Kunden müssen beispielsweise mit Blackouts von einer Stunde pro Jahr leben, in Italien und Norwegen bleibt’s durchschnittlich drei Stunden duster. „Die deutschen Netze sind picobello in Schuss, das Geld für ihren Unterhalt hat der Verbraucher bereits zigfach vorgestreckt“, urteilt der Hamburger Netz-Experte Christian Gotthardt. Den Managern gehe es um die „Verteidigung des Status quo“, der für sie „echt komfortabel“ sei. Die Netze sind neben den Kraftwerken die eigentlichen Werte der Energieversorger, beim Gas sogar die einzigen.

„Die Stromwirtschaft verliert in Deutschland jedes Jahr ein Prozent Marktanteil an die saubere Energie-Branche“, sagt Peter Ahmels, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. „Logisch, dass sie sich dagegen wehrt.“ Denn alle Erfahrungen zeigen: Das von Eon und Co bemühte Quotenmodell bremst den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung. Ahmels: „Zum Beispiel Italien: Dort hat die grüne Stromwirtschaft in den letzten beiden Jahren nicht einmal um 0,3 Prozent zugelegt.“

Tatsächlich liegt der Anteil regenerativen Stroms in Italien unter 2,5 Prozent. Experten machen das dort geltende Quotenprinzip dafür verantwortlich: Die Energiewirtschaft wird verpflichtet, eine bestimmte Quote ihres Stromes aus regenerativen Quellen bereitzustellen. Weil die traditionell fossilen Stromkonzerne aber überhaupt kein Interesse an einer ökologischen Neuausrichtung ihrer Produktion haben, bauen sie selbst keine Windräder, sondern erkaufen sich die Quote per Zertifikate von kleinen Anbietern. Allerdings kommt das den italienischen Verbraucher fast doppelt so teuer wie den Deutschen: Im letzten Jahr kostete die Kilowattstunde Windstrom auf den Apenninen 15,5, in Deutschland 8,7 Cent.

SPD-Energieexperte Hermann Scheer bezeichnet den Vorstoß als „vergifteten Köder“. Alle Quotenmodelle hätten „gezeigt, dass sie zum grenzenlosen Scheitern verurteilt sind“. Die Konzerne wollten nichts anderes, als „ihre staatsmonopolistische Marktmacht sichern“, so Scheer zur taz. Aus der Union hieß es gestern dazu, man wolle das EEG bis Ende 2007 überprüfen und eine neue Anschlussregelung installieren – falls man die Wahl 2006 gewinnt.

Darauf zielt der Vorstoß der Stromwirtschaft natürlich ab. Allerdings ruderte der VDEW gestern eilig zurück. Die FTD habe nur „Zwischenstände unserer Überlegungen referiert“, erklärte Roger Kohlmann, stellvertretender VDEW-Hauptgeschäftsführer, der taz. „Es geht uns nicht darum, die erneuerbaren Energien zu beschädigen, sondern ihre Förderung stärker nach Effizienzkriterien auszurichten.“ Die Förderung zur Markteinführung sei sinnvoll gewesen. „Die Frage ist aber, ob man bei 16.000 Megawatt installierter Windleistung noch von Markteinführung reden kann“, sagte Kohlmann – und griff doch noch einmal auf eine Schimäre zurück: „Die Dena-Netzstudie hat gezeigt, dass ein ‚Weiter so‘ bei der Förderung nicht möglich ist, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden.“

meinung und diskussion SEITE 11