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: Vorn chancenlos und hinten schwach

FUSSBALL Otto Rehhagels Einstand bei der Hertha missrät beim 0:3 in Augsburg gründlich

Weißes Hemd, weinrote Krawatte und schwarzer Sakko – Otto Rehhagel war fraglos sehr gut gekleidet. Dennoch sah der 73-Jährige ein wenig mitgenommen aus, als er erklären sollte, warum seine neue Mannschaft dermaßen sang- und klanglos 0:3 beim FC Augsburg untergegangen war. Vielleicht, mutmaßte Rehhagel, habe sein Team den „Tabellenletzten“ unterschätzt. Das allerdings wäre selbst dann ein Armutszeugnis, wenn man davon absieht, dass der FCA vor Beginn des Spieltags Vorletzter und nicht Letzter war.

Einen „verdienten Sieg für Augsburg“ hatte Rehhagel gesehen. „Die Jungs müssen gegen Bremen so kämpfen wie Augsburg gegen uns, um mal wieder einen Sieg zu landen.“ Sprach’s und erklärte die Pressekonferenz für beendet, zur sichtlichen Verwunderung von FCA-Pressechef Dominik Schmitz, dessen Aufgabe das eigentlich gewesen wäre.

Ein paar Minuten zuvor waren die Augsburger Spieler in der Interviewzone aufgetaucht. Dass sie „überglücklich“ waren (Sebastian Langkamp), verstand sich von selbst nach dem höchsten Saisonsieg, der das Team erstmals seit dem dritten Spieltag auf einen Nichtabstiegsplatz katapultierte. Manche Aussage aus Berlin schien dann doch für zusätzliche Motivation gesorgt zu haben. Kein Bundesligaspieler liest gern über seinen Verein, dass der gegnerische Coach mit ihm nichts verbindet, außer dass dort in den 70ern Helmut Haller gespielt hat. Augsburgs Jan-Ingwer Callsen-Bracker betonte jedenfalls genüsslich, man habe gleich „an der Körpersprache der Mannschaften gemerkt, dass wir heute einen Dreier holen“. Und Kollege Langkamp ergänzte lächelnd: „Nach dem 2:0 hatten wir die Hertha im Sack.“

Doch es sollte nicht bei den beiden Toren von Torsten Oehrl (61./63.) bleiben, bei denen sich die Berliner Abwehr haarsträubende Aussetzer geleistet hatte. In der Nachspielzeit erhöhte der eingewechselte Marcel Ndjeng auf 3:0 (90.), und abermals wirkte Herthas Defensive komplett unsortiert. Das Spiel nach vorn hatten die Berliner längst eingestellt, im gesamten zweiten Durchgang hatten sie nicht eine einzige Torchance . Die spielerisch begabteren Akteure wie Adrian Ramos tauchten völlig ab. Der Kolumbianer, der in der Vorwoche noch als einzige Sturmspitze randurfte, mag die Position auf dem linken Flügel nicht und wollte das offenbar über 90 Minuten demonstrieren. Bei so gut wie jedem Ballverlust blieb er stehen und haderte. Nach dem Spiel musste ihn Kapitän André Mijatovic mit sanfter Gewalt dazu bringen, wenigstens ein paar Schritte Richtung Gästekurve zu machen, um sich bei den rund 700 mitgereisten Hertha-Fans für ihre Unterstützung zu bedanken. Im Grunde ist in Berlin also alles beim Alten geblieben. Auch unter dem zweiten Trainer seit der Demission von Markus Babbel vor Weihnachten spielt das Team ohne jede Überzeugung. Es bleibt also noch viel Arbeit für Rehhagel, der bei seinem ersten Bundesligaspiel seit dem Jahr 2000 von gut 50 Fotografen auf Schritt und Tritt begleitet wurde.

Unübersehbar waren auch die Schwächen in der Defensive, in der sich die beiden Innenverteidiger Roman Hubnik und Mijatovic immer wieder übertölpeln ließen und Linksverteidiger Felix Bastians einen ganz schwachen Tag erwischt hatte. Nach dem Schlusspfiff konnten die Herthaner von Glück sagen, dass der FCA in dieser Saison immer sehr viele Chancen bis zum Torerfolg braucht. Gegen ein Spitzenteam wäre die Niederlage wohl ähnlich hoch ausgefallen wie das 0:5 in Stuttgart, das vor zwei Wochen Michael Skibbe das Amt kostete. CHRISTOPH RUF