Gericht muss nachsitzen

Den Paderborner Schulverweigerern droht nach Buß- und Zwangsgeldern nun sogar ein Prozess um den Teilentzug des Sorgerechts. Ihr Antrag auf eine Privatschule wird weiter geprüft

VON ELMAR KOK

Den baptistischen Schulverweigerern in Paderborn droht eine langwierige juristische Auseinandersetzung, nachdem alle Versuche, mit Gesprächen eine Lösung des Konfliktes zu finden, gescheitert sind. „Wir haben nicht den Eindruck, dass Gespräche noch etwas bringen“, sagt der Landrat des Kreises Paderborn, Manfred Müller (CDU). Sechs Paderborner Elternpaare schicken ihre Kinder seit September des vergangenen Jahres nicht mehr in Paderborner Schulen, ein Elternpaar verweigert seinem Nachwuchs sogar seit September 2003 den Schulbesuch.

Anfang der Woche hatten die christlichen Fundamentalisten ihren Widerspruch gegen acht Bußgeldbescheide des Kreises zurückgezogen und so eine öffentliche Verhandlung vor dem Paderborner Amtsgericht verhindert. In dem Bußgeldverfahren wird das Amtsgericht Paderborn im Laufe der Woche eine Entscheidung verkünden. Währenddessen laufen die Vorbereitungen für einen Prozess zum Teilentzug des Sorgerechts bei dem Elternpaar, dass sich seit 2003 der Schulpflicht verweigert. Rudolf Kamp, Sprecher des Paderborner Gerichts, sagte gestern zur taz: „Es gibt ein laufendes Sorgerechtsverfahren, das darauf ausgerichtet ist, den Eltern den Teilaspekt des Schulbesuchs zu entziehen.“

Das laufende Verfahren zeige, sagt Landrat Müller, dass die Eltern sich durchaus bewusst seien, die juristischen Konsequenzen für ihr Handeln zu übernehmen. Der Kreis werde seine Linie weiter fortsetzen und besonnen, aber hart in der Sache vorgehen, sagt Müller. „Wir haben den Familien schon mehrfach geraten, sich endlich von ihren Beratern zu trennen.“ Mittlerweile erhalte er auch aus der Bevölkerung sehr viel Zuspruch für seine Haltung, sagt Müller. „Die Menschen sind der Meinung, dass die Leute, die sich hier niederlassen, sich auch an die Gesetze halten.“ Zudem habe die Haltung der Berater der baptistischen Aussiedlerfamilien die Debatte zusätzlich aufgeheizt. Im Streit um die Schulpflicht hatte der Siegener Heimschulaktivist und Fundamentalchrist Helmut Stücher das Land Nordrhein-Westfalen mit einem „totalitären Unrechtsstaat“ verglichen und dem Schulministerium geschrieben, das Verhalten der Behörden erinnere ihn an die Verfolgung seiner Familie im Dritten Reich. Zudem wirft er den Schulen des Paderborner Kreises sexistische Unterrichtsinhalte vor.

Der Antrag auf eine private Schule, den die Familien bei der Bezirksregierung Detmold gestellt haben, werde immer noch geprüft, ist aus der Behörde zu hören. Strittig scheint vor allem die „Lehrbefähigung des geplanten Lehrpersonals“ zu sein, ist aus der Behörde zu hören.

In den Streit um die Schulpflicht der russlanddeutschen Baptisten hat sich mittlerweile auch der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung eingemischt. In einem Interview mit der Neuen Westfälischen hat Hans-Peter Kemper (SPD) gefordert, die Kinder notfalls mit Zwang in die Schule zu bringen. Von Einmischungen, verbunden mit diesen Forderungen hält der Paderborner Landrat Müller gar nichts. „Der sollte sich mal besser um sein Thema kümmern“, sagt der CDU-Politiker.