tussis welt. ein intimer bericht von ALBERT HEFELE
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Irgendwie fühl ich mich täglich mieser. Definitiver Entscheidungsstress. Ich bin wohl an einem Scheideweg meiner Existenz angelangt. Wie geht es weiter? Kann ich so weiterleben? Ich kann mich kaum noch aufs Studium konzentrieren. Ich muss mich jetzt entscheiden und der Erkenntnis Rechnung tragen: meine Jochbögen sind einfach das Letzte.

Die Erkenntnis kam vor genau einer Woche. Da war ich mit Brad Saur beim After Study Lunch im „Attila“. Schlaumeier Brad. Ich kann den eigentlich gar nicht leiden, aber er hat so nett gefragt. Und einen Body hat er ja. Brad ist zwar nur BeWeEller, aber er hat mich wirklich nett gefragt. Und dann war er irgendwie süß. Besonders süß ist er, wenn er richtig über Politik redet. Auch wirklich klug, was der alles weiß. Also mir wird da richtig heiß, wenn ein Mann so klug ist und all diese Politiker beim Namen kennt. Dann kriegen die Männer so was Ernsthaftes in den Blick und stellen bedrohlich die Nasenlöcher hoch. Da sind die wirklich süß.

Ich war schon zu fast allem bereit – ich meine, wir waren uns wirklich nahe. Auf einmal kuckt er mich regelrecht angeekelt an. Das Licht war schuld. Im „Attila“ ist dieses schroffe grüne Licht. Mein Gott! Dieses schroffe, grüne Licht voll auf meine Jochbögen! Und Braddy sagt – heute weiß ich, er hat recht –, „deine Jochbögen, die sind voll hoch, ist da irgendwie was mit Polen?“ Ich war völlig fertig. Natürlich nicht. Meine Eltern sind aus Kassel. Beide. Schon immer.

Trotzdem war mir sofort klar: Mit diesen Jochbögen kann ich mich nicht mehr aus dem Haus trauen. POLEN! Ich bin dann auch sofort ins Wohnheim gerannt. Hab Braddy was von Seminarvorbereitung erzählt. Ich hab mich dann natürlich gleich mit Make-up zugekleistert und anderen Lidschatten probiert. Aber es hilft nichts. Diese fürchterlichen Jochbögen sind nicht klein zu kriegen! Bin dann nur noch kraftlos auf dem Bett gelegen und hab mein Leben an mir vorüberziehen lassen.

Wie ich mich halbwegs beruhigt habe, kommt Natalie, die vom Appartement gegenüber reingeschneit. Ich sag noch, ich will niemand sehen, aber Natalie hört da einfach gar nicht hin. Blökt einfach rein, dass ich mir unbedingt die Brust richten lassen muss. Ich war völlig platt, kann nur noch krächzen: „Was ist an meiner Brust auszusetzen?“ Sie: „Im Prinzip nichts, aber Bananenbrüste sind völlig out. Im neuen Jahr soll unbedingt Flaschenkürbis die Nummer eins sein. Wirklich. Elise aus dem Seminar von Professor Ellinger schwört es. Sie hat einen Cousin, der ein Stipendium in Schanghai hat. Der schwört, dort trägt man nur noch Flaschenkürbis. Und Schanghai ist in der nächsten Saison der Trendsetter!“

Ich hab dann, glaub ich, eine halbe Stunde voll durchgeweint. Zuerst das mit den Jochbögen und nun auch noch die Brust. Ich kann mich natürlich im „Attila“ nicht mehr sehen lassen. Natalie hat mich getröstet und gemeint, ich müsste halt einen Bausparvertrag oder so einlösen. Die hat leicht reden, ihr Daddy ist Chirurg. Wenn die was hat, macht der das mal am Wochenende. Aber ich! Letztes Jahr die Lidfalte und alle Zähne komplett. Und nun Jochbogen und Brust. Die Semesterferien kann ich natürlich total vergessen. Die gehen wieder voll mit Bedienen drauf.