Seltsam außen vor

Der 1. FC Köln steht nach 2:1-Sieg bei Erzgebirge Aue drei Spieltage vor Saisonende als erster Aufsteiger in die Erste Liga fest. Eine glückliche Figur gibt FC-Trainer Huub Stevens dennoch nicht ab

AUS AUE MATHIAS LIEBING

Auf diesen Augenblick hatte Huub Stevens seit Anfang August gewartet. Frisch geduscht, die noch nassen Haare streng zurückgekämmt, so saß der 51-jährige Trainer des 1. FC Köln, der gerade den Bundesliga-Aufstieg perfekt gemacht hatte, am späten Montagabend im Presseraum des Auer Erzgebirgsstadions und holte zum lang ersehnten Schlag aus. „An die Kölner Journalisten“, formulierte Stevens in zwar zurechtgelegten, aber doch gewohnt unrunden Worten, „will ich erinnern, was nach den ersten beiden Spielen geschrieben worden ist.“

Darauf wurde es still im Presseraum. Zu still, weil die Kollegen, die sich seit Anfang der Saison eher kritisch mit der Person Stevens und den ersten beiden Saisonspielen, aus denen der große Aufstiegsfavorit gegen Cottbus und Burghausen nur einen Punkt mitnahm, auseinander gesetzt haben, gar nicht kontern konnten. Sie waren der Konferenz, die wegen der Aufstiegsfeierlichkeiten erst eine Stunde nach Spielende stattfand, fern geblieben, um bezeichnenderweise in der Mehrzahl bei bierseligen Kölner Kickern O-Töne zu sammeln. Aus der großen Abrechnung, die sich Stevens für diesen Moment gewünscht hatte, wurde also nichts, und der Unverstandene blieb auch in den erfolgreichsten Minuten der Saison unverstanden. Und dabei seltsam außen vor.

Dies war schon direkt nach dem Abpfiff so, als die FC-Spieler nahe der Mittellinie einen Kreis geformt hatten und das nicht unverdiente, aber glückliche 2:1 in Aue feierten. Stevens hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die innige Umarmungsarie mit allen Betreuern und Funktionären absolviert und schlenderte in Richtung der jubelnden Meute. Sollte Stevens, dessen Kasernenton im Umgang mit den Kickern einen wesentlichen Kritikpunkt an seinem Führungsstil darstellte, tatsächlich einen solch emotionalen Schritt auf sein Team zumachen? Nicht doch, dachte wohl auch der Fußballlehrer – und drehte ab, um stattdessen den 1.500 mitgereisten Kölner Fans zu winken. Nur gut, dass wenig später die Spieler Anlauf nahmen, um ihrem Coach in Gemeinschaft um den Hals zu fallen. Alexander Bade, den Stevens zu Saisonbeginn an Stelle von Stefan Wessels zur Nummer eins im Tor gemacht hatte, besorgte daraufhin die branchenübliche Bierdusche.

Als glückliche Figur wird Stevens, der im Sommer aus privaten Gründen in die Niederlande zurückkehren wird, dennoch nicht in die Historie des 1. FC Köln eingehen. Es passte einfach nicht zwischen dem ernsten Arbeiter und dem sympathisch größenwahnsinnigen Karnevalsverein. Den Beleg lieferte der 51-Jährige am Montag zum wiederholten Mal höchstselbst, als er sich sogar im Siegestaumel zu der Feststellung hinreißen ließ, die Mannschaft habe nicht die gleiche Qualität wie die Konkurrenz. Dabei galt der FC seit Saisonbeginn unumstritten als der große Aufstiegsfavorit, und dies gerade deshalb, weil Stevens nicht nur den besten, sondern auch den ausgeglichensten Kader zur Verfügung hatte. So fiel es in Aue auch nicht ins Gewicht, dass mit Podolski, Cullmann und Rahn gleich drei Stammkräfte fehlten, zumal selbst diese das Phantomtor durch Juskowiak nicht hätten verhindern können. Keine Minute war vergangen, als der 34-jährige Pole eine weite Flanke von links mit der Innenseite zurück in den Gefahrenbereich befördern wollte. Doch der Ball landete als Bogenlampe auf der Torlinie, was Schiedsrichter-Assistent Bielmeier fälschlicherweise als Treffer erkannte. In der mittelbaren Folge agierte Köln hilflos – vor allem der defensive Mittelfeld-Akteur Schindzielorz und die Innenverteidiger Bilica und Sinkiewicz hatten größte Probleme mit dem Kurzpass-Konzept-Fußball des FC Erzgebirge.

Ebensolcher ist – in Aue wie im gesamten Saisonverlauf – beim FC nicht zu erkennen gewesen. Dennoch wurde die Stevens-Truppe besser und kam über den starken Streit, dessen Flanke Ebbers auf den Torschützen Springer ablegte, in der 44. Minute zum Ausgleich.

Nach der Pause zogen sich die Kölner kategorisch in die eigene Hälfte zurück, eben so, wie es die leidgeprüften FC-Fans unter den 15.000 im ausverkauften Erzgebirgsstadion in dieser Serie bereits gewohnt sind. Dass Köln letztlich als Sieger vom Platz ging, lag zum einen an der mangelhaften Chancen-Ausgestaltung der Gastgeber und zum anderen am eingewechselten Lell, dessen Alleingang das entscheidende Tor durch Ebbers ermöglichte.

Zurück zur Pressekonferenz: Dort erklärte Aues Trainer Schädlich noch einmal die Unterschiede zwischen einem Spitzenteam und einer normalen Mannschaft. Stevens fühlte sich übrigens nicht kritisiert.