Betonköpfe im NRW-Wahlkampf

Gegen Naturschutzprojekte, gegen Rot-Grün: Mit fragwürdigen Argumenten will die Zementindustrie bei der Landtagswahl kräftig mitmischen. Heute Geheimtreffen in der Düsseldorfer Staatskanzlei

VON ULLA JASPER
UND ANDREAS WYPUTTA

Die Wut des Ministerpräsidenten war gewaltig. „Ich wäre dankbar, wenn Sie in unserer weiteren Korrespondenz Ihre Tonlage ändern“, schrieb Peer Steinbrück vor wenigen Tagen an die Vorstände der Baustoffproduzenten Dyckerhoff und Schencking. Die Manager vermittelten „falsche Eindrücke“, so der Sozialdemokrat in dem Schreiben, das der taz vorliegt.

Der Ärger des Regierungschefs wirkt verständlich: Die Geschäftsführung der beiden Firmen, die im Teutoburger Wald bei Lengerich Kalk abbauen, hatten in den vergangenen Wochen versucht, Belegschaft und Öffentlichkeit gegen die rot-grüne Landesregierung in Stellung zu bringen und Stimmung gegen SPD und Grüne zu machen. „Noch vor der möglichen Abwahl der rot-grünen Regierung droht und ein ideologisch geprägter, wirtschafts- und arbeitsplatzfeindlicher Handstreich unter dem Deckmantel des Naturschutzes“, erklärte der Dyckerhoff-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Bauer.

Hintergrund ist die Ausweisung des westlichen Ausläufers des Teutoburger Walds als Naturschutzgebiet im Rahmen der europäischen „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ (FFH). Eine wirtschaftliche Nutzung des Gebiets wäre dann nur unter strengen Auflagen möglich. Unmittelbar davon betroffen sind die beiden Firmen nicht: Schencking hat noch bis zum Jahr 2011 eine Genehmigung zum Kalkabbau, Dyckerhoff gar bis 2023.

Die Wahlkämpfer der CDU greifen das Thema trotzdem dankbar auf: Aus „rein ideologischen Gründen“ wollten SPD und Grüne „über 500 Arbeitsplätze“ in der strukturschwachen Region vernichten, klagte Karl-Josef Laumann, am vergangenen Wochenende vor Parteifreunden in Wuppertal. Noch kurz vor der Wahl sollten Fakten geschaffen werden. Er dagegen werde die rot-grünen „Umweltbürokraten“ ausbremsen, erklärte Laumann unter starkem Applaus – im Schattenkabinett von CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers ist er als Arbeitsminister vorgesehen.

Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Seit Monaten blockieren CDU und CSU über ihre Bundesratsmehrheit die Abschaffung der Eigenheimzulage. Die Subventionen für Häuslebauer –im nordrhein-westfälischen Landeshaushalt ein größerer Posten als die Unterstützung der Steinkohle – liegt auch Dyckerhoff-Aufsichtsratschef Jürgen Lose besonders am Herzen: Die SPD-geführte Bundesregierung müsse die Eigenheimzulage endlich „als Wachstumsmotor begreifen“, so Lose in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes Baustoffe - Steine und Erden. Die „Krise am Bau“ könne überwunden werden, glaubt das Mitglied der Wiesbadener CDU. „In Deutschland gibt es immer noch einen Bedarf an Bauleistungen,“ beschwört Lose, nebenbei auch noch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zementindustrie, die SPD.

„Nichts als Wahlkampf“ sei der Vorstoß der beiden Firmen, so das Düsseldorfer Umweltministerium. So zeige das Beispiel des Steinbruchs Imhausen bei Köln, dass Umweltschutz und die Sicherung von Arbeitsplätzen sehr wohl vereinbar seien: Im April hatte sich das Umweltministerium mit der Basalt-Actien-Gesellschaft auf eine umweltverträgliche Weiternutzung des Steinbruchs, der wie die Betriebe von Dyckerhoff und Schencking in einem FFH-Gebiet liegt, geeinigt. „Wir sind überzeugt, dass der Abbau von mineralischen Rohstoffen im Einklang mit praktiziertem Naturschutz steht“, schreibt Basalt-Vorstandssprecher Peter Vos an das Ministerium – und bedankte sich für „positive Statements und angenehme Gespräche“.

Die Stimmung zwischen Landesregierung und Dyckerhoff und Schencking verbessern soll ein Geheimgespräch heute in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Regierungschef Steinbrück jedenfalls bittet schon im Vorfeld um mehr „Fairness“. Die Betonfirmen möchten doch bitte Betriebsräte und Belegschaften informieren: Das Land habe „das unmissverständliche Ziel, die Arbeitsplätze auch für die Zeit nach 2023 beziehungsweise 2011 zu sichern“.