Das Fell des Bären wird zerlegt

Der bisherige CDU-Landeschef Joachim Zeller tritt beim Parteitag am 28. Mai nicht mehr an. Der Kampf um seine Nachfolge ist inzwischen voll entbrannt. Im Ring stehen der Fraktionschef Nicolas Zimmer und der Europaabgeordnete Ingo Schmitt

VON UWE RADA

In der Berliner CDU herrscht wieder einmal Anarchie. Nach der überraschenden Ankündigung von CDU-Landeschef Joachim Zeller, beim Landesparteitag am 28. Mai nicht wieder anzutreten, ist in der Partei ein offener Machtkampf ausgebrochen. Sowohl der Fraktionschef Nicolas Zimmer (34) als auch der Europaabgeordnete Ingo Schmitt (47) haben ihren Hut in den Ring geworfen. Unklar ist, wer von den Delegierten in knapp zwei Wochen gewählt werden wird.

Der glücklose Zeller, im Hauptberuf Bezirksbürgermeister von Mitte, hatte die Berliner CDU nie in den Griff bekommen. Eher dem liberalen Flügel der Partei zugehörig, hatte er vor einigen Wochen mit einem populistischen Spruch für Furore gesorgt. In einer Debatte zum Kriegsende am 8. Mai 1945 hatte Zeller gesagt, der eigentliche „Tag der Befreiung“ werde kommen, wenn der rot-rote Senat abgelöst werde. Dieser Ausflug an den rechten Rand, für den er sich später entschuldigte, hatte Zeller dem rechten Flügel der Westberliner Kreisverbände nicht sympathischer gemacht. Mit seinem vorzeitigen Rückzug, heißt es, sei er nur einer Abstimmungsniederlage auf dem Landesparteitag zuvorgekommen.

Offiziell dagegen begründete Zeller am Mittwoch sein Vorgehen mit privaten Gründen. Seine Mutter habe einen Schlaganfall erlitten, und er wolle sich ganz auf ihre Pflege konzentrieren. Zellers Vorgänger Christoph Stölzl, ebenfalls nur CDU-Interimschef, sagte, er könne dieses Argument nachvollziehen. Gleichzeitig sprach sich Stölzl für Nicolas Zimmer als Nachfolger Zellers aus.

Doch kaum hatte Zimmer die Kandidatur angenommen, ging auch Ingo Schmitt ins Rennen. „Ich schließe nichts aus. Ich bin Parteisoldat“, sagte der Europaabgeordnete und Vorsitzende des Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf. Für Schmitt votierte auch der mächtige Chef des Kreisverbands Steglitz-Zehlendorf, Michael Braun: „Ingo Schmitt ist der erfahrenste Kreisvorsitzende, hat gute Kontakte zur Bundes- und Europapartei und wäre auch ehrlich dazu bereit, einen Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl von außen zu holen.“ Dass Schmitt einst nach Brüssel weggelobt wurde, weil er SPD-Bildungssenator Klaus Böger 2001 eine „Politnutte“ genannt hatte, scheint vergessen.

Dass das konservative Lager um Schmitt und Braun von der Rückeroberung des Landesvorsitzes träumen kann, hat auch mit der Diskussion um den CDU-Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2006 zu tun. In der CDU ist es ein offenes Geheimnis, dass Zimmer mit einer Kandidatur gegen Wowereit liebäugelt, auch wenn er das gestern erst einmal demonstrativ ausgeschlossen hat. Fraktionsvorsitz, Landesvorsitz und Spitzenkandidatur in einer Person wäre allerdings auch für die obrigkeitsgewohnten CDU-Delegierten zu viel des Guten, zumal der kommunikative Zimmer in der Vergangenheit mehrfach Führungsschwäche gezeigt hatte.

Eine mögliche Vorentscheidung für Schmitt kann es bereits am kommenden Montag geben. Dann treffen die 12 Kreisvorsitzenden zusammen, um über den Parteitag am 28. Mai zu beraten.

Eine Einmischung aus der CDU-Bundeszentrale ist indes nicht zu erwarten. Schon einmal hatte sich Angela Merkel beim Berliner Landesverband die Finger verbrannt. 2001 wollte sie Wolfgang Schäuble als CDU-Spitzenkandidaten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus inthronisieren. Die Berliner Parteikollegen aber ließen sie abblitzen und entschieden sich stattdessen für den damaligen Fraktionsvorsitzenden Frank Steffel.

Stattdessen hat sich der scheidende Vorsitzende noch einmal zu Wort gemeldet. Gestern ließ Joachim Zeller wissen, dass er Nicolas Zimmer für geeignet halte. Der, so Zeller, „wäre eine gute Option, um die Kräfte von Fraktion und Landesvorstand organisatorisch und logistisch zu bündeln“.