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: Tennis im Scheichtum Hundekehle

Bei den „Qatar German Open“ in Berlin werden nicht nur Schläger geschwungen, sondern auch jede Menge Datteln gegessen

Nun, da sich in die ebenso alberne wie heuschreckendiskrimierende Kapitalismusdebatte zunehmend Menschen einmischen, von denen man aufgrund ihrer betrüblichen geistigen Befindlichkeit ganz bestimmt nichts darüber hören möchte, ist es an der Zeit, auch mal ein Lob anzubringen: Beim Tennis funktioniert der Kapitalismus ganz vorzüglich. Wie ein Schwarm marodierender Wanderkamele ist der vermögende Tennisverband von Katar über das Berliner Frauenturnier am Hundekehlesee hergefallen, doch wenn man in diesen Tagen über die Anlage flaniert, stößt man allenthalben auf blühende Landschaften und zufriedene Menschen, kann sich in einer arabisch anmutenden Zeltstadt delektieren und nebenbei einigen der besten Tennisspielerinnen der Welt wie Maria Scharapowa, Kim Clijsters, Amelie Mauresmo oder Justine Henin-Hardenne bei ihrem Handwerk zuschauen.

Willkommen im Scheichtum Hundekehle, komplett mit einem türmchenbewehrten, weißgekalkten Bau im Alhambra-Stil, in dessen Innern nicht nur den Damen ein komplettes Henna-Makeover angeboten wird, sondern Turnierbesuchern auch freundlich und gratis schmackhafte Datteln verabreicht werden. Etwas enttäuschend allenfalls, dass bei näherem Hinsehen in den orientalisch-luftigen Zelten keineswegs Kamelleberpastete, Wüstenmaussorbet oder Grundkurse im Jagdfalkengebrauch angeboten werden, sondern ganz schnöde die Berliner S-Bahn für sich wirbt, der Waschmaschinen-Hersteller Whirlpool und andere Sponsoren. Auch der Ausschank von Pilsner und Prosecco mag nicht ganz in das Bild eines Tennisturniers passen, das den hübschen Titel „Qatar German Open“ trägt.

Für 6,7 Millionen Dollar hat der Deutsche Tennis-Bund (DTB) – eine Art Arabische Wüste des Weltsports, bloß ohne Öl – sein marodes Renommierturnier im letzten Jahr an den katarischen Verband verkauft und sich damit seiner schlimmsten finanziellen Sorgen entledigt. Als besonderen Glücksgriff feierte DTB-Präsident Georg von Waldenfels den Umstand, dass der Käufer seine Beute nicht sofort in die Heimat verschleppte, sondern das Turnier für 2005 an seinem angestammten Ort beließ, inzwischen eine Zusage für 2006 gab und sogar vage Verheißungen für die Zeit danach.

In Katar hat man sich seit geraumer Zeit in den Kopf gesetzt, eine bedeutende Rolle im Weltsport spielen zu wollen. Nachdem der Versuch, eine Art brasilianische B-Mannschaft mit Ailton an der Spitze für das Land kicken zu lassen, ebenso scheiterte wie die Aufpäppelung der heimischen Liga durch angejahrte Fußballgrößen – es kamen Effenberg und Basler, damit war die Sache erledigt –, steht die Akquirierung internationaler Top-Ereignisse im Vordergrund. Ein Frauentennis-Turnier der ersten Kategorie, wie die German Open, war stets ganz oben auf der Prioritätenliste, ein Problem gibt es nur mit der Terminierung. Im Mai ist es in Katar zu heiß zum Tennisspielen und ein Tausch mit dem zweitrangigen Turnier, welches das Land im Februar ausrichtet, ist nicht so einfach, vor allem, weil die Sandplatz-Veranstaltung in Berlin traditionell ein wichtiges Element in der Vorbereitung auf die French Open darstellt. Die Chancen für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Katar und DTB stehen also gar nicht so schlecht, zumal die gastgebenden Gäste gleich ein paar Sponsoren herbeischleppten, prächtig Tourismuswerbung betreiben können und der Chef des Tennisverbandes, Scheich Mohammed Bin-Faleh Al-Thani, stets beteuert, es reiche ihm, wenn das Turnier seine Kosten einspielt.

Da passte es Georg von Waldenfels gar nicht in den Kram, dass ausgerechnet der LTTC Rot-Weiß quer schoss, auf dessen Anlage das Turnier stattfindet. „Eine Totgeburt“ nannte dessen Präsident die Qatar German Open per Boulevard, der Klub ist sauer, dass er plötzlich Gast auf der eigenen Anlage ist, und ein Ägypter, der nicht mal richtig berlinern kann, Turnierdirektor. Zu wenig Sponsoren, zu wenig Fernsehen, zu wenig Zuschauer hatten die German Open zuletzt gehabt, doch bei Rot-Weiß träumt man unbeirrt von glorreichen Zeiten, also im Prinzip davon, dass Steffi Graf noch einmal 17 ist und alles von vorn beginnt. „Unmöglicher Stil“, rügte Georg von Waldenfels, „es gibt auch andere Interessenten für das Turnier“, sagte ungewohnt kühl der sonst so höfliche Scheich Mohammed. Frei übersetzt: „Fahrt doch zur Dschehenna, ihr undankbaren Nemsi!“ MATTI LIESKE