28 neue Nachrichten

Deutschland (2) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Die Gegenwart

Was ist noch da von letzter Nacht? Rote Stempel auf der Hand, in den Fingern leichte Lähmung. Ein paar Stunden gedämmert, nicht geschlafen. Da war die Eröffnung einer Ausstellung. Ein Essen. Dann weiße Schmetterlinge in Carlos Depot. Alte Pulp-Lieder, angefangen zu tanzen. Schwarze Schmetterlinge, im Watergate dann.

Die Situation ist doch: An den Staat glauben nur noch Träumer. Deshalb funktioniert einzig und so gut die Nacht in dieser Hauptstadt. Die Reden. Wir sind wach und unterwegs. Unser Staat sind die Toiletten. Anfassen und auftauchen, mit blühenden Augen. Tanzen, immer wieder tanzen. Der Staat war ruiniert, dann reformiert, zum Ersten, Zweiten, Dritten, und ist immer noch ruiniert absurd und ohne Hofnung l-a-n-g-e-w-e-i-l-i-g. Immer wieder sehe ich diesen bekifften bleichen Engel. „Wollen wir beten?“, fragt der Engel. Dann sitzen wir lange am Wasser.

Bei der Fahrt durch die leeren Straßen dämmert es schon. Das Radio meldet die neuen Arbeitslosenzahlen. Kein Mensch ist arbeitslos. Das ganze Leben ist Arbeit, harte. Wer im Fernsehen drüber redet, weiß: Nichts verkauft sich teurer als Dummheit. Ich gewinne einen Hasen aus dem Automaten. Zuhause: 28 neue Nachrichten. Eine spielt die Internationale. Ich raste. Dann, es ist Zeit, und ich muss in die Schweiz.

Uta, die Gute, fährt mich. Sieht sehr himmelhellblau aus, sagt: „Du stirbst, wenn du so weitermachst.“ Das macht mir viel Angst, bis nach Zürich. Dort beginnt eine andere Welt. Das Deutsch gesungen. Der Weg vom Flughafen direkt in die Kaviar-Bar. Alles schwarz und Marmor. Seid ihr jetzt unsere Helden?