Prozess von US-Soldatin geplatzt

Richter kauft Lynndie England ihr Schuldeingeständnis, irakische Gefangene misshandelt und gedemütigt zu haben, nicht ab. Verfahren wird neu aufgerollt

WASHINGTON taz ■ Der Prozess gegen US-Soldatin Lynndie England, angeklagt der Demütigung und Misshandlung von Häftlingen im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib, ist am zweiten Verhandlungstag geplatzt. Der zuständige Militärrichter in Texas wies das strafmildernde Schuldeingeständnis Englands zurück. Das Verfahren muss neu aufgerollt werden. Die 22-Jährige hatte sich am Montag schuldig bekannt. Im Gegenzug ließ die Staatsanwaltschaft einige Anklagepunkte fallen. Statt einer Höchststrafe von 16 Jahren drohten England nur noch rund 2 Jahre Haft.

Grund für das rasche Prozessende war die Aussage des Gefreiten Charles Graner, eine der Schlüsselfiguren im Folterskandal, dass die mit England geschossenen Fotos als Unterrichtsmaterial für andere wachhabende Militärpolizisten gedacht waren. England hatte erklärt, sie habe damals gewusst, dass jenes Bild, auf dem sie einen nackten Iraker an einer Leine führt, zwecks Spaß und Erniedrigung der Häftlinge aufgenommen wurde. Graner nannte das Beispiel ein legitimes Disziplinierungsmittel, um widerspenstige Häftlinge zu bändigen. Er gab, bevor er in den Zeugenstand gerufen wurde, eine schriftliche Erklärung ab, in der er seinen Unmut über Englands Schuldeingeständnis äußerte. Er selbst hatte im Januar auf nicht schuldig plädiert. Er sei nur Anweisungen höher rangiger Offiziere und des Militärgeheimdienstes gefolgt. Das Gericht verwarf diese Begründung und verurteilte ihn zu 10 Jahren Haft.

Im Fall England folgte die Verteidigung einer widersprüchlichen Strategie. Englands Anwälte drängten sie, auf schuldig zu plädieren, wozu hinreichende Urteilskraft nötig ist. Andererseits waren sie bemüht, ihre Schuldfähigkeit in Frage zu stellen. Sie wollten nachweisen, dass England an Lernschwäche leidet, über ein schwaches Selbstbewusstsein verfügt und dazu neigt, Anweisungen von Autoritätspersonen blind zu folgen. Von ihrem damaligen Geliebten Graner sei sie abhängig gewesen.

Nach geltendem Militärrecht kann ein Schuldeingeständnis nur akzeptiert werden, wenn sich die Angeklagte zum Tatzeitpunkt bewusst war, falsch gehandelt zu haben. Doch Richter Oberst James Pohl sagte, er sei nicht überzeugt, dass England damals gewusst habe, dass sie Verbotenes tat. Die Aussagen Englands und Graners könnten nicht in Einklang gebracht werden. Bislang ist ungewiss, wann der Prozess wieder aufgenommen wird. MICHAEL STRECK

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