Gewalt begleitet neue Regierung im Irak

Bei Attentaten auf irakische Sicherheitskräfte kommen Dutzende Personen ums Leben. Allein in der kurdischen Stadt Arbil sterben 60 bei einem Selbstmordanschlag, 150 werden verletzt. Die Gruppe Ansar al-Sunna bekennt sich zu der Tat

VON BEATE SEEL

Auch nach der Vereidigung der neuen Regierung am Mittwochnachmittag lässt die Anschlagsserie im Irak nicht nach. Gestern früh kamen in Bagdad bei einem Selbstmordanschlag vor einem Rekrutierungszentrum für Soldaten mindestens elf Menschen ums Leben. Zuvor wurden bei zwei Angriffen auf Polizeistreifen neun Personen getötet.

Bereits am Mittwoch hatte ein Selbstmordattentäter in der kurdischen Stadt Arbil im Norden des Landes 60 Menschen umgebracht, 150 weitere wurden verletzt. Zu diesem Anschlag bekannte sich die Ansar-al-Sunna-Armee in einer Erklärung im Internet. Zugleich kündigte sie weitere Anschläge auf Kurden an.

Der Selbstmordanschlag in Arbil fand vor einem Büro der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) statt, das zugleich ein Rekrutierungsbüro für Polizisten ist. Etwa 200 Menschen in dem vorgeschriebenen Alter von 19 bis 26 Jahren standen in der Hoffnung auf einen Arbeitsplatz Schlange, als der Attentäter den Sprengstoff zündete. Die meisten Wartenden stammten aus umliegenden Dörfern.

Ali Mohammed, dessen Geschäft nur 200 Meter von dem KDP-Büro entfernt liegt, berichtete gegenüber irakischen Journalisten, er habe mit seinem Auto vier Verletzte ins Krankenhaus gefahren. „Als ich zurückkam, fand ich einen Kopf, der in einem der Bäume unseres Gartens hing“, sagte er. Der 26-jährige Schirwan Hamakhan, einer der Verletzten in der Notfallklinik in Arbil, saß zum Zeitpunkt der Explosion in der Schlange. Er wurde am Bauch, im Gesicht, an Schultern und Armen verwundet. „Als die Explosion geschah, wurden alle, die vor mir waren, getötet“, berichtete er gegenüber dem „Institute for War and Peace Reporting“, das den Bericht der beiden Journalisten veröffentlichte. Bei dem Anschlag handelt es sich um den opferreichsten seit mehr als zwei Monaten.

Nach jüngsten US-Angaben finden im Irak derzeit 50 bis 60 Anschläge täglich statt – genauso viele wie vor einem Jahr. Abgesehen von dem generellen Ziel der politischen Destabilisierung wird der trotz der Vereidigung des Kabinetts anhaltende Streit um einige Ministerposten und die Frage der Beteiligung der Sunniten derzeit für die zahlreichen Anschläge verantwortlich gemacht. Zuvor hieß es, Grund sei die Verzögerung der Regierungsbildung, und Anfang des Jahres galten die Wahlen am 30. Januar als Motiv der Täter. Diese Einschätzungen in Washington waren jeweils mit der Hoffnung verbunden, dass die Gewalt demnächst nachlassen werde. Doch dies ist wenig wahrscheinlich.

Auch die USA haben kürzlich ihre Angaben über die Stärke der irakischen Sicherheitskräfte von mehr als 150.000 nach unten korrigiert. Mehrere tausend erschienen möglicherweise nicht zum Dienst, andere seien noch nicht vollständig ausgerüstet, berichtete die BBC unter Berufung auf das Pentagon. So dürfte das nächste Erklärungsmuster der Streit um die neue Verfassung sein, die laut Plan bis Anfang August vorliegen soll.