Kriterien des Guten und des Besseren

PANTER PREIS Die siebenköpfige Jury, die einen der beiden Preise zu vergeben hat, wird es extraschwer haben

Bettina Böttinger, 53, ist Fernsehmoderatorin beim WDR und vielfältig sozial engagiert

VON JAN FEDDERSEN

„Die HeldInnen selbst brauchen den Preis nicht unbedingt, sie stehen drüber. Wir anderen brauchen ihn aber“

NINA SCHOENIAN

Eine Jury trägt immer ein Moment von Willkür in sich. Ein Gremium, das der Öffentlichkeit keine Erläuterung schuldig ist, wenn es eine Entscheidung trifft. Wer einen Wettbewerb gewonnen hat, wenn eine Jury über dessen Ausgang entschied, ist wichtig – das Reden darüber, ob es die falschen KandidatInnen waren, die am Ende obsiegten, ist nur noch zweitrangig. Am Tag danach fragt niemand nach der Höhe des Sieges.

Und dieses Wort umreißt eine besondere Schwierigkeit, der sich die taz-Jury, die den oder die Panter-Preis-TrägerIn des Jahres 2009 auswählt, ausgesetzt sehen muss. Sieben Menschen kommen dieses Jahr in diesem Kreis zusammen, der Schauspieler Rufus Beck, die TV-Moderatorin Bettina Böttinger, taz-Chefredakteurin Ines Pohl, taz-Kreativchefin Nina Schoenian, der Panter-Stifter Markus Seng, die frühere taz-Chefin und Autorin Elke Schmitter, die auch dem Kuratorium der Panter Stiftung angehört, sowie der Autor dieser Zeilen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben.

Rufus Beck, 52, ist Schauspieler und Sprecher, u. a. Vorleser der Harry-Potter-Bücher

Wir haben in erster Linie etwas Unmögliches zu tun: eineN PreisträgerIn zu finden, der oder die sich den RivalInnen gegenüber in besonderer Hinsicht als mutig und engagiert erweist. Das wiederum hat etwas Absurdes: Warum soll das eine Tun geringer als das andere sein? Insofern müssen wir wohl jetzt um Vergebung bitten. Dafür nämlich, dass nicht alle gleich sind und dennoch heldenhaft auf ihre Weise. Dass einE KandidatIn uns besonders vorkam.

Ines Pohl, 42, ist seit knapp drei Wochen Chefredakteurin der taz und Panter-Neuling

Sechs KandidatInnen haben wir Ihnen in den vergangenen Wochen präsentiert – als Porträts, in Worten wie in Bildern. Die Jury nun muss sich in nicht nur einer Sitzung einen Reim darauf machen, was alle eint und was sie voneinander unterscheidet. Grundsätzliche Fragen sind zu klären. Theoretisch gesprochen: Ist es beispielsweise von einem Lehrer couragiert, SchülerInnen aus Migrationsfamilien ehrenamtlich Nachhilfeunterricht zu geben? Oder darf man dies von ihm oder ihr nicht ohnehin erwarten? Darf man nicht ohnehin überhaupt von allen erwarten, dass sie als verantwortliche und handelnde BürgerInnen agieren? Stecken hinter Kandidaturen Interessen der wohlfeilen Art? Hat es nicht schon viele Musiker etwa gegeben, die lediglich deshalb, weil sie aus einem Laufbahntief einfach nicht herauskommen, plötzlich die karitative Seite zu der ihren machen? Anders formuliert: Fällt es nicht gerade in Talkshows immer extrapeinlich auf, wenn Prominente eilends ihr Gewissen entdecken und, mit einem zu vermarktenden Buch in der Hand, mehr Mut, Engagement, Tapferkeit und überhaupt mehr Bürgersinn fordern? Sind es nicht gerade diese Figuren, die Tätigkeit im bürgerschaftlichen Sinne so in Verruf gebracht haben, weil sie Soziales zugunsten der eigenen Glorie feiern lassen?

Die Motive unserer JurorInnen seien offengelegt, vier von ihnen seien zitiert. Bettina Böttinger sagt: „Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise, gerade in Zeiten, in denen immer nur von Geld und Gewinn die Rede ist, ist soziales Engagement im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar! Menschen, die sich für andere einsetzen, sind die wahren Führungskräfte unserer Gesellschaft.“ taz-Chefredakteurin Ines Pohl meint: „Auch wir JournalistInnen müssen aufpassen, dass wir im Alltagsgeschäft nicht immer nur die mächtigen Macher im Blick haben.“ Sie freue sich „sehr darauf, jenen zu applaudieren, die sich einer Sache wegen engagieren – und nicht wegen der öffentlichen Anerkennung“. Physiker Markus Seng, Zustifter der Panter Stiftung, urteilt mit Herz: „Soziales Engagement erfordert sehr viel Mut von emanzipierten Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen; besser als die jetzige Welt, in der unsere staatlichen Institutionen im Zeitalter der totalen Marktgläubigkeit aus reiner Profitgier diskreditiert wurden und werden – weil scheinbar kein Geld da ist. Die öffentliche Anerkennung von HeldInnen des Alltags macht Hoffnung und kann uns alle nur motivieren, gemeinsam für eine solidarische Gesellschaft zu kämpfen, an der wir alle gerechter partizipieren können. Die für den taz Panter Preis Nominierten sind für mich herausragende Beispiele der Mitmenschlichkeit.“ Und Nina Schoenian, taz-Marketingkollegin, urteilt: „Soziales Engagement verdient Preise, damit mehr Menschen ermutigt werden, sich heldenhaft zu verhalten. Die HeldInnen selbst brauchen den Preis nicht unbedingt, sie stehen drüber. Wir anderen brauchen ihn aber. Es ist eine Freude, in der Jury zu sein, weil man sich selten zwischen dem Guten und dem Besseren entscheiden darf.“

Nina Schoenian, 29, taz-Kreativchefin, sucht nach der Idee hinter dem Engagement

Wobei die Wahrheit auch des diesjährigen Panter Preises bleibt: Alle, die sich vorschlagen ließen oder sich beworben haben, tun dies, um ein Stück Extraanerkennung zu bekommen. Eine Welt voller Altruisten ist ja schließlich eine schreckliche. Wer angibt, nur für andere zu wirken, gibt vor, von sich selbst abzusehen.

Markus Seng, 45, Physiker und Panter-Stifter, verdient sein Geld in der IT-Branche

Elke Schmitter, 48, Ex-taz-Chefredakteurin, ist Journalistin und Schriftstellerin

Das mag ein theologisch kostbarer Grund sein, einer überirdischen Instanz schon auf Erden ein wenig näher, immaterieller zu kommen, in der Realität aber kann es nicht verboten sein, Mut, vielleicht sogar Tapferkeit gegen alle Umstände aus eigenem Interesse zu beweisen. Denn dass es schmeichelt, anderen zu helfen, ja, womöglich ihnen aufzuhelfen, auf dass sie sich helfen können, ist doch nicht nur okay, sondern erwünscht. Hauptsache, das Bessere, auch eine bessere Welt, wird überhaupt gedacht. Auch wenn sie aus eigennützigen Gründen gestiftet würde, würde das nur theoretisch stören. Praktisch haben alle etwas davon – vor allem jene Projekte, die Gutes bewirken.

Jan Feddersen, 52, ist taz-Autor, Kongressorganisator und Redakteur für Besonderes

Mit Erich Kästner gesprochen, auch wenn sein Credo zum Kalauer geronnen scheint: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Wir als Jury können das im Blick behalten: Engagement muss nicht gut gelaunt daherkommen, Mut nicht warmen Herzens gezeigt werden – was zählt, ist, fußballerisch gesprochen, „auf’m Platz“.

In den nächsten Wochen schreiben wir, wie es jenen geht, die den Panter Preis früher einmal erhielten. Wie ihr Engagement weiter verlief, was nicht so glattging – und wo noch Größeres erwuchs. Sie als LeserInnen wählen Ihre KandidatInnen, und wir suchen jeneN aus, der oder die ein Vorbild sein kann.