JEAN PETERS POLITIK VON UNTEN
: Schon wi(e)der Monopoliebe

Weshalb serielle Monogamie eine Parallele zur Wirtschaft ist und Polyamory einen Ausweg bietet

Wir können mehrere Menschen lieben. Das tun wir ohnehin, eben verschieden intensiv. Und so buntscheckig wir sind, so verschieden sind unsere Liebesbeziehungen. Die Einteilung der Liebe in Kategorien wie Freunde, Partner, Eltern, Kinder, Gott oder wie auch immer man das fassen will, verwirrt eher. Wichtig ist mir, mich einlassen zu können. Einfühlsam zu sein – auch mir selbst gegenüber.

Polyamory ist die Kunst, in vollem Einverständnis aller PartnerInnen mehrere intensive Liebesbeziehungen gleichzeitig einzugehen. So neohippizistisch das klingt, so ultrahedonistisch es beschrieben wird, ist Polyamory sanft und bodenständig, ist ganz und gar wunderbar, wenn wir uns nur aufeinander einlassen. Treu sind wir so eher unseren gegenseitigen Abmachungen, weniger der geltenden Moral. Der Unterschied zu manch einer emanzipierten Ehe ist vielleicht – so ganz theoretisch –, dass wir offen sind, uns intensiv auf andere Menschen einzulassen und uns nicht gleich bedroht fühlen. Macht alle die Augen zu und küsst mich? Eheh!

Doch die Bedrohung ist real: Nach klerusklaren Beziehungsverhältnissen ist die Ehe verkommen zu Massenware serieller Monogamie: Schichtarbeit mit eherechtlichen Absicherungen und Abfindungen bei fristloser Kündigung. Und nun, wo in der Arbeitswelt die totale Flexibilität im Anmarsch ist, mit Pendelverkehr und Auslandskonferenzen, soll uns auch das noch genommen werden. Wir sind nun alle vollends durchindividualisiert, mit bunten Profilen bei Facebook und absoluter Wahlfreiheit, wir sind und bleiben unsere letzte Referenz. Und kommt mir jemand aus der CDU mit Kritik, sage ich: Über kurz oder lang werden die VerfechterInnen der strengen Monogamie sich eingestehen müssen, dass Polyamory der einzig gültige Zeitgeist der Moderne sein kann.

Aber nein, so ist es nicht, keine Sorge. Ich will kein High-Profile-Coaching mit Rollenbewusstsein oder einem Mehrwert an Gefühlen predigen – möglichst viel Spaß mit möglichst vielen PartnerInnen. Im Gegenteil: Es ist eine Revolte gegen eine Gefühlswelt des freien Marktes, in der wir privatisieren, monopolisieren, konkurrieren.

Polyamory, liebe Liebenden, ist dabei sicher nicht die Lösung. Ebenso wenig wie Monogamie oder die Ehe zu Gott. Nur haben wir selten glückliche, lebenslange Beziehungen vorgelebt bekommen. Es nervt, wenn sich polyamore Freunde trennen und alle munkeln: „Siehste, ich hatte es auch mal versucht, das klappt nicht.“ Und der Kuckuck auf dem Baum stöhnt Puuuh. Dabei ist jede romantische Zweierbeziehung genauso eine Bedrohung. Spätestens ab dem Moment, in dem wir uns aufeinander einlassen wollen.

In Polyamory steckt die Hoffnung alte Muster aufzubrechen, die Verletzungen, die wir erlebt haben und vorgelebt bekamen, umzustülpen. Und das hört dann nicht vor der Haustür auf. Das kann natürlich alles etwas viel werden. Immer mehr Bedürfnisse, verschiedenere Erlebnisse, die kaum bei Big Brother vorkommentiert und delegitimiert wurden.

Notfalls rufen wir bei Domian an, beim WDR-Emo-Nachttalk.

■ Der Autor ist Politikstudent, Kinderclown und Friedensaktivist Foto: Sylphide Noire