SOLLTE MAN JETZT GLÜHBIRNEN HORTEN?

Pro
HELMUT HÖGE ist taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister

Gleich zwei Hubschrauber kreisten über der Hasenheide. Bild berichtete anderntags triumphierend, dass ihr Einsatz erfolgreich war: „12 Drogenhändler gingen der Polizei ins Netz.“ Demnächst werden damit keine Rauschgift-, sondern Glühbirnen-Dealer gemeint sein.

Fakt ist, dass sofort nachdem Herstellung, Handel und Genuss dieser Lichtquellen verboten worden waren, Osram und Philips die Glühbirnenpreise erhöhten. Und obwohl sie dann sogar doppelt so viele Birnen wie früher verkauften, weil die Kunden massenhaft Vorräte anlegten, drängte Siemens/Osram auf Beendigung des Handels mit Glühbirnen. Das allerdings war nur der Konkurrenz geschuldet: Narva, General Electric und Auer Lighting boten neuartige Birnen an, die länger brennen, weniger verbrauchen und heller sind. Über diese schrieb Technology Review: „Die neue Technologie wendet sich an umweltbewusste Kunden. Denn reguläre Energiesparlampen enthalten giftiges Quecksilber, was sie zum Sondermüll macht.“ Außerdem fehle ihrem „kalten Licht“ der auf Dauer lebenswichtige Infrarotanteil.

Während das italienische Wirtschaftsministerium sich einstweilen noch dem europäischen Glühbirnenverbot verweigert, verfügt das deutsche: Wer nach dem Stichtag noch matte Glühbirnen bestellt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Die letzte Möglichkeit, an die Glühbirne zu kommen, ist also das Horten.

In Kreuzberg aber haben pfiffige Ökos bereits eine Beschäftigungsgesellschaft für Langzeitarbeitslose gegründet: Diese werden durch den Bezirk patrouillieren und alle anzeigen, die ihre Räume mit matten Glühbirnen erhellen. Das warme Licht wird sie verraten. Vom Ordnungsamt wird daraufhin ein Bußgeld von 123 Euro pro Birne verhängt – schon der Besitz ist strafbar. „Es ist wie früher im Krieg, als Verdunklung angeordnet wurde, nur andersherum“, meint einer der „Light-Controller“. Er spürt bereits den Hass der Kreuzberger, die sich nach dem Rauchverbot nicht schon wieder was verbieten lassen wollen.

Contra
BERNWARD JANZING ist Geowissenschaftler und taz-Autor

Haben wir denn keine anderen Probleme? Glühbirnen, ausgerechnet schnöde Glühbirnen! Und dann diese Aufgeregtheit auf beiden Seiten. Einerseits wird die Glühbirne plötzlich zum Allerheiligsten der modernen Wohnkultur erhoben, weil ohne ihr Licht die wohlige Atmosphäre auf den Kanapees für immer zerstört scheint. Wie furchtbar! Andererseits stilisiert die Umweltpolitik die Glühbirne zum veritablen Feind, als hänge die Rettung des Planeten von ihrem Verbot ab. Wie dramatisch!

Ist natürlich beides Unsinn. Und so muss an dieser Stelle über das Thema Relevanz geredet werden: Wer Glühbirnen verbietet, Stromheizungen aber ungeniert zulässt, hat die ökologische Relevanz der Technologien nicht begriffen. Wer sich andererseits über das Birnenverbot echauffiert, als ginge es dabei um den Entzug von Menschenrechten, dem sind wiederum die politischen Maßstäbe entglitten. Sehr viel bringen wird das Verbot nicht, aber wohl ein bisschen – womit das Verbot schon okay ist.

Und was ist mit den Hamsterkäufen? Man kann die Verehrung des Glühfadens als harmlose Marotte abtun und darüber schmunzeln, weil sich dadurch viel Unwissen offenbart: Längst gibt es Sparleuchten mit hochwertigem Lichtspektrum und schon bald wird die LED zum neuen Stern am Wohnzimmerhimmel. Dann braucht wirklich keiner mehr Glühlampen.

Doch Fakten zählen offenbar nicht mehr in dieser Debatte. Es geht um Emotionen. Es geht beim Horten von Glühbirnen auch um das gute Gefühl, einen Beschluss der Obrigkeit zu unterwandern. Gerne auch kollektiv. Wehrt euch, leistet Widerstand – hamstert Glühbirnen. Was für eine Programmatik!

Zugleich offenbart der Hang zur Birne aber auch die Unfähigkeit, mit Veränderung umzugehen. Schon der Gedanke an ein neues Licht über dem Wohnzimmertisch verunsichert offenbar manche Menschen hochgradig. Alles in allem ist es ziemlich bizarr, wie man an so einem belanglosen Ding wie einer Glühbirne festhalten kann.