Müller-Milch wird nicht mehr sauer

Die Kabinettsbeschlüsse zur Senkung von Erbschafts- und Körperschaftssteuer stoßen bei den Gewerkschaften auf Widerspruch. DGB sieht schon bisher „ausreichend Erleichterungsmöglichkeiten“, SPD-Linke kritisiert Verstoß gegen Parteiprogramm

VON BARBARA DRIBBUSCH

Die Aufregung war groß, als der Molkereiunternehmer Theo Müller von „Müller-Milch“ im Herbst 2003 ankündigte, seinen ersten Wohnsitz von Bayern aus in die Schweiz zu verlagern. Die deutsche Erbschaftssteuer, die seine Kinder im Falle der Übernahme zahlen müssten, gefährde den Fortbestand des Unternehmens, so Müller damals. Er wolle sich durch den deutschen Staat nicht „enteignen“ lassen.

Müller kann jetzt samt Großfamilie die Rückkehr nach Deutschland erwägen: Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch zwei Gesetzentwürfe zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen. Danach soll die Erbschaftssteuer auf betriebliches Vermögen bis zu einer Höhe von 100 Millionen Euro ganz wegfallen, wenn der Betrieb über zehn Jahre fortgeführt wird. Die Länder, denen die Erbschaftssteuer zusteht, müssen durch diese Absenkung auf 450 Millionen Euro Steuereinnahmen pro Jahr verzichten.

„Angesichts der Lage der öffentlichen Kassen sollte die Politik eher auf eine Ausweitung der Erbschaftssteuer auf große Betriebs- und Privatvermögen setzen als auf deren Absenkung“, sagte dazu der Chef der Gewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske. Heinz Putzhammer, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund, bezeichnete die geplante Absenkung als „überzogene Maßnahme“. Es gebe bisher schon „ausreichend Erleichterungsmöglichkeiten“ bei der Erbschaftssteuer, wenn betriebliches Vermögen an die Kinder übergehe. Nach der bisherigen Gesetzeslage kann die Erbschaftssteuer auf Firmenvermögen bis zu zehn Jahre lang zinslos gestundet werden. Bisher sei kein Fall bekannt, bei dem ein Betrieb wegen der Zahlungsverpflichtungen aus der Erbschaftssteuer nicht weitergeführt werden konnte, erklärten Ver.di-Wirtschaftsexperten.

Die bayrische Staatskanzlei hatte demgegenüber behauptet, im nächsten Jahr seien bis zu 10.000 Betriebsaufgaben zu befürchten, weil die Erben die hohe Steuerbelastung nicht schultern könnten. Der Kabinettsentwurf von Bundesfinanzminister Hans Eichel beruht auf einem Vorschlag Bayerns.

Der zweite Gesetzentwurf, der am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligt wurde, sieht eine Absenkung der Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften von bisher 25 auf 19 Prozent vor. Diese Verringerung der Steuerlast für Aktiengesellschaften und GmbHs soll den Investitionsstandort Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern attraktiver machen. Beide Gesetzesvorhaben waren beim Job-Gipfel Mitte März zwischen der Bundesregierung und der Union verabredet worden.

Streit gibt es jetzt allerdings um die Gegenfinanzierung. Die Unionsfraktion und Bayern schlagen vor, die Einnahmeausfälle einer verminderten Erbschaftssteuer durch eine höhere Besteuerung der Dividenden für Aktienbesitzer auszugleichen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) lehnt diesen Vorschlag ab, denn die Steuereinnahmen aus Dividenden kommen bislang Bund und Kommunen zugute, während die Erbschaftssteuer Ländersache ist. Eichel will daher die Dividendenbesteuerung eher dazu verwenden, die Körperschaftssteuer zu senken. Die Gegenfinanzierung der geringeren Erbschaftssteuer sei hingegen Ländersache.

Dass die Vorschläge zur Steuersenkung auch nicht unbedingt dem SPD-Parteiprogramm entsprechen, darauf wies die Parteilinke Andrea Nahles hin. Denn im November 2003 hatte der Parteitag ganz im Gegenteil beschlossen, große Erbschaften steuerlich stärker zu belasten.

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